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Mehr InformationenWo auch immer Menschen zusammenkommen, bleibt nachher vor allem eines: Müll. Sehr viel Müll. Auch wenn wir alle davon überzeugt sind, dass wir uns hinsichtlich des eigenen Verhaltens beim Thema Umweltschutz vorbildlich verhalten – die Fakten sprechen eine vollkommen andere Sprache. In der Realität nämlich sind wir der Umwelt gegenüber rücksichtsloser als jemals zuvor, und das im Großen wie im Kleinen. Insbesondere die Vermüllung öffentlicher Räume – im Fachjargon auch als Littering bezeichnet – hat seit den 1980er Jahren kontinuierlich zugenommen. Doch woran liegt das? Sind wir einfach nur desinteressierter geworden oder liegt es an Gruppendynamiken, dass Müll immer häufiger auf Straßen, Plätzen und Wiesenflächen landet?
Die Frankfurter Rundschau stellt in der Ausgabe vom 05.02.2017 eine Studie der Humboldt-Universität mit dem Titel „Littering – Merkmale, Ursachen und Prävention“ vor. Und das Ergebnis dieser Studie ist wahrlich erschreckend, denn es steht fest: Alle Altersgruppen sind an der Vermüllung beteiligt, Männer genauso wie Frauen und die Begründungen für das eigene Verhalten sind so zahlreich wie einfallsreich.
Die Studie der Humboldt-Uni präsentiert harte Fakten. Mit rund 35 % stellen Zigarettenkippen trotz fortschreitender Rauchverbote immer noch den größten Anteil an Littering in öffentlichen Räumen. Im Vergleich zu 2008 (hier wurde letztmalig eine vergleichbare Studie in Deutschland durchgeführt) ist der Anteil der Zigarettenkippen an der Gesamt-Vermüllung zwar gesunken. Allerdings nicht, weil es weniger Zigarettenkippen gibt, sondern vielmehr, weil die Menschen nun anderen Müll in der Gegend verteilen. 20 % des Litterings gehen nämlich aktuell auf das Konto von Kaffeebechern oder Fastfood-Verpackungen – die „Take-away-Mentalität“ lässt grüßen. Abgenommen hat im Vergleich zu 2008 lediglich der Anteil biologisch abbaubarer Objekte wie Bananenschalen. Diese machten 2008 noch 6,6 % aus, 2017 hingegen lag der Anteil bei nur noch 4,6 %. Bei allen anderen Müllsorten, von Zeitungen und Papier über Hundekot bis hin zu Flaschen und Glas, musste die Studie leider eine Zunahme des Litterings feststellen.
Im Rahmen der Studie wurde auch nach den Motiven der Menschen gefragt, die ihren Müll in der Natur entsorgten. Die Antworten lassen jeden umweltbewussten Menschen schier verzweifeln. Den unrühmlichen Platz 1 belegt die Aussage: „Ich habe ja biologisch abbaubaren Müll weggeworfen, der löst sich von alleine auf“. Auf den weiteren Plätzen tummeln sich „überfüllte Abfallbehälter“ oder „fehlende Abfallbehälter in der Nähe“, da wird mit „Ich entsorge ja nur kleine Objekte, die kaum auffallen, auf der Straße“ argumentiert oder auf „Eile“ hingewiesen. Häufig hörte man auch „Eine Vermüllung lag ja eh vor“ oder „Die Stadt reinigt doch sowieso für mich. Schließlich bezahle ich dafür ja mit meinen Steuern“. Man merkt bereits an den zahlreichen Ausreden: Es scheint kein großes Unrechtsbewusstsein innerhalb der Bevölkerung zu existieren, was das Thema Littering anbelangt. Zumindest keine Erkenntnis, was die kleine Handlung des unbedachten Wegwerfens in der Summe gesehen für Auswirkungen haben kann.
Man kann sich nun über die Ergebnisse der Studie echauffieren und die Menschheit als schmutzig und verloren abhaken – oder gezielt nach Lösungen für das um sich greifende Müllproblem suchen. Hier lässt sich eine weitere Studie aus dem Jahre 2014 aufführen. Ralph Hansmann und Nora Steimer von der ETH Zürich hatten hier ein Feldexperiment durchgeführt und anhand von Plakaten die Wirksamkeit von humorvollen, umweltorientierten und autoritären Maßnahmen gegen Littering untersucht.
Im Rahmen des Experimentes wurden zufällig ausgewählten Personen Flyer in die Hand gedrückt und die Personen anschließend an unterschiedlichen Plakatwänden vorbeigeführt.
Die Versuchspersonen hatten während der Studie keine Ahnung, dass Sie an einem Experiment teilnehmen. Die Untersuchung an sich wurde an tatsächlich durch Littering betroffenen Standorten und unter realistischen Bedingungen durchgeführt. Die Plakate waren wie folgt gestaltet:
Interessant ist die Wirkung der Plakate. Während bei der Kontrollgruppe ohne Plakate insgesamt 7,2 % aller verteilten Flyer gelittert wurden, sank dieser Wert bei den umweltorientierten und humorvollen Plakaten signifikant (auf 2,6 % bzw. 3,0 %). Das autoritäre Plakat zeigte zwar im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Plakat ebenfalls Wirkung (Littering-Anteil gesunken auf 5,4 %), aber kann dem Vergleich mit den beiden anderen Plakaten nicht standhalten.
Was lässt sich aus dieser Studie schließen? Witzige Botschaften oder der Appell an das Umweltbewusstsein der Menschen reduzierten das Littering um etwa 60 %, also um mehr als die Hälfte. Die autoritäre Kommunikation erzielte immerhin noch eine Reduktion um 25 %. Kann man daraus nun folgern, dass Verbote und Vorgaben die Menschen weniger vom Littering abhalten als der Einsatz von Humor oder der Appell an das Umweltbewusstsein?
Man kann, aber nur bedingt. Das reine Aussprechen von Verboten ohne die Gefahr von Sanktionen trägt nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Situation bei und kann sogar ins Gegenteil umschlagen – nämlich dann, wenn Verbote Trotzreaktionen auslösen. Mit positiven Botschaften hingegen erreicht man meist mehr, zumindest dann, wenn diese Botschaften zielgenau transportiert werden.
Aus der Verhaltenökonomik stammt der Begriff des „Nudgings“, was übersetzt ungefähr so viel wie „Stupsen“ oder „Schubsen“ bedeutet. Nudging ist eine Methode, um das Verhalten von Menschen auf vorhersagbare Weise zu beeinflussen, und zwar ohne den Einsatz von Verboten oder wirtschaftlichen Anreizen. Die Methode geht davon aus, dass Menschen Fehler begehen, selbst wenn sie wissen, dass es sich um einen Fehler handelt. Durch kleine Eingriffe sollen diese Fehler ausgeglichen werden, ohne die Menschen in der persönlichen Freiheit zu beschränken. Platziert man beispielsweise in einer Mensa Obst und Gemüse auf Augenhöhe der Besucher und stellt gleichzeitig ungesunde Knabbereien und Süßigkeiten weiter entfernt auf, steigt der Konsum von Obst und Gemüse in dieser Mensa signifikant an.
Auf die Vermüllung öffentlicher Räume übertragen bedeutet dies das Bereitstellen von Nudges seitens der Städte, Länder und Kommunen. Und Nudging muss nicht mal teuer sein. Es reichen häufig schon attraktiv gestaltete und prominent platzierte Abfalleimer an stark frequentierten Stellen, um das Littering einzudämmen. Natürlich mit der passenden, wohlmeinenden Kampagne dazu. Denn das Positive, was Nudging vermittelt, hat einen stärkeren Einfluss auf das Verhalten von Menschen als strikte Verbote und deren rigorose Umsetzung. Raucher lassen sich mit großzügig bereitgestellten Aschenbechern dazu motivieren, Ihre Hinterlassenschaften nicht in der Umwelt zu entsorgen und auch die im Rahmen der oben genannten Studie verwendeten visuellen Botschaften über Plakate (oder alternativ Aufkleber, Aufdrucke etc.) sind durchaus zielführend.
Was können Stadtplaner, die Verantwortlichen in der Politik und ausführende Ordnungsorgane nun genau tun, um der ausschweifenden Vermüllung Herr zu werden? Fest steht: Mit Verboten erreicht man weniger als mit freundlichen Aufforderungen. Ein ausreichendes Angebot an Entsorgungsmöglichkeiten an stark frequentierten und verschmutzten Orten im Sichtfeld der Passanten verringert Littering. Allerdings ist hier darauf zu achten, dass die Abfalleimer auch regelmäßig geleert werden. Ansonsten tritt nämlich das Gegenteil von dem ein, was ursprünglich eigentlich geplant war. Ganz im Sinne der „broken windows“ Theorie ziehen stark verschmutzte oder zerstörte Orte noch mehr Schmutz und Zerstörung an. Was bei Fenstern (im übertragenen Sinne) gilt, gilt natürlich auch für Abfalleimer, Papiercontainer oder Aschenbecher. Werden diese nicht regelmäßig geleert, sinkt die Akzeptanz zur Nutzung stark. Effektiv ist im Sinne einer sauberen Stadt auch die Anwendung gewisser „Nudging“-Konzepte. Wie wäre es beispielsweise, die ansonsten ungenutzten Vorderflächen von Abfallbehältern mit humorvollen Sprüchen zu versehen?
Letztendlich lässt sich Müll am einfachsten vermeiden, indem er erst gar nicht produziert wird. Entsprechende Konzepte müssen schnell her, denn wenn aktuelle Studien eines belegen, dann: Es wird nicht weniger Müll, den wir hinterlassen. Eher ganz im Gegenteil.
RATGEBER: Wege aus dem Vandalismus
Bild3: Nazri Yaakub / Shutterstock.com
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