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Sicherheit für Kinder im Straßenverkehr ist zunächst Erziehungssache: Das richtige Verhalten auf der Straße will gelernt sein. Beim Thema Verkehrssicherheit für Kinder geht es aber nicht nur um Verhaltensweisen. Ein zentraler Aspekt ist die Planung und Gestaltung der Infrastruktur, um Gefährdungen und Unfälle so weit wie möglich zu verhindern.
Auf lange Sicht betrachtet, verzeichnete die Verkehrsstatistik tendenziell immer weniger verunglückte Kinder. In den vergangenen 30 Jahren sanken die Zahlen der bei Unfällen verletzten oder getöteten Kinder unter 15 Jahren auf Tiefstwerte im Jahr 2020.
Insgesamt verstarben 2020 48 Kinder in Folge eines Verkehrsunfalls. Hinsichtlich der im Straßenverkehr getöteten Kinder sind die Zahlen nur in wenigen anderen EU-Mitgliedstaaten noch niedriger als in Deutschland (5 Kinder je eine Million Einwohner). Dazu zählen Italien, die Niederlande und das Vereinigte Königreich (jeweils 4), Slowenien (3), Slowakei und Schweden (jeweils 2). Lediglich auf Malta und in Luxemburg kam kein Kind im Straßenverkehr ums Leben.
Für die Betroffenen ist die positive Entwicklung dennoch kaum ein Trost. Deshalb sollen verschiedene Konzepte und Herangehensweisen helfen, noch näher an die „VisionZero“, also die Reduzierung der Anzahl der Verkehrstoten auf Null zu kommen.
Damit die Umsetzung gelingt, braucht es aber ein funktionierendes Zusammenspiel von verschiedenen Teilbereichen. Eine wichtige Säule ist und bleibt die frühzeitige Verkehrserziehung durch Eltern und öffentliche Einrichtungen. Gleichzeitig müssen strukturelle Bedingungen geschaffen werden, um die Unfallgefahr für Kinder weiter zu verringern. Dazu gehören verkehrsplanerische und bauliche Änderungen genauso wie Maßnahmen zur besseren Verkehrsüberwachung und -regelung.
Das richtige Verhalten im Verkehr ist ein fester Bestandteil der Kindeserziehung – sowohl in der Familie als auch in KiTa und Schule. Verkehrssicherheit ist schließlich erlernbar.
Eine zentrale Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Eltern, die auch in Verkehrsangelegenheiten als Vorbilder für den Nachwuchs fungieren. Verkehrserziehung fängt damit im Familienkreis an und deckt bereits die grundsätzlichen Prinzipien ab: zum Beispiel das Einhalten von Verkehrsregeln, etwa beim Überqueren einer Straße oder beim Anschnallen im Auto.
Während Kleinkinder diese Verhaltensweisen zunächst durch Nachahmung erlernen, können sie ab einem Alter von etwa drei Jahren in eine direktere Verkehrserziehung einbezogen werden. Wichtig ist dabei eine kindgerechte Vermittlung. Das bedeutet:
Dennoch gilt es zu beachten, dass Kinder in jeder Hinsicht andere Voraussetzungen für die Teilhabe am Straßenverkehr haben als Erwachsene. Das ist nicht allein eine Frage des Lernens – sondern der kindlichen Entwicklung.
Schon die körperliche Entwicklung von Kindern setzt ihnen im Straßenverkehr diverse Einschränkungen. Das Sehvermögen ist beispielsweise erst im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren vollständig ausgebildet. Räumliches Sehen, was für die Einschätzung von Entfernungen von Fahrzeugen unerlässlich ist, beherrschen Kinder erst mit ungefähr neun Jahren.
Ähnliches gilt für das Hörvermögen. Es ist zwar etwa im Alter von sechs Jahren voll ausgebildet. Bis Kinder Geräusche sicher unterscheiden oder ihren Ursprung ausmachen können, braucht es aber noch länger.
Wesentlich ist außerdem die Motorik. Bis ins Vorschulalter sind Schwierigkeiten bei der Koordination (aus dem Rennen plötzlich stehen bleiben, unterschiedliche Lauf- und Blickrichtungen etc.) die Regel. Hinzu kommt die geringere Körpergröße. Die ist zum Beispiel in unübersichtlichen Situationen ein Nachteil, wenn Kinder den Verkehrsraum nur beschränkt einsehen können.
Genau wie die körperlichen Voraussetzungen für die Wahrnehmung entwickeln sich auch die kognitiven Fähigkeiten von Kindern erst schrittweise. Bis zum Alter von ungefähr zwei Jahren sind Kinder damit beschäftigt, Wahrnehmungen und Bewegungen überhaupt koordinieren zu können.
Bis zum Alter von sechs Jahren sind Wahrnehmung und Denken noch stark reizgebunden. Je auffälliger der Sinnesreiz, desto eher empfindet ein Kind ihn als interessant. Das bedeutet umgekehrt, dass die Gefahr der Ablenkung sehr groß ist und Kinder es noch nicht schaffen, ihre Aufmerksamkeit auf mehrere Eindrücke gleichzeitig zu verteilen. Rollt beispielsweise ein Ball auf die Straße, wird der Verkehr erst einmal ausgeblendet.
Die Fähigkeit zum abstrakten Denken entwickeln Kinder zudem erst ab ca. 12 Jahren. Bis dahin bleibt der reale Straßenverkehr der wichtigste Bezugspunkt, um neue Verhaltensweisen zu erlernen.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt sind verschiedene Persönlichkeitsmerkmale von Kindern. Das gilt beispielsweise für die Risikobereitschaft. Hier lassen sich zwei Persönlichkeitstypen unterscheiden: Der eine ist deutlich risikofreudiger, der andere vermeidet Risiken eher. Das wirkt sich auch auf das Verhalten im Straßenverkehr aus, etwa beim Überqueren einer vielbefahrenen Straße.
Weitere persönlichkeitsspezifische Faktoren wie kognitive Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsdefizite oder andere Verhaltensauffälligkeiten sowie psychische Belastungen, die bei den Kindern zu Stress führen, vermindern ebenfalls die Gefahrenwahrnehmung. Im Straßenverkehr sind solche Kinder deswegen einem erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt.
Bei der Verkehrserziehung gilt es also, nicht nur die altersbedingte Entwicklung der Kinder zu berücksichtigen, sondern außerdem die jeweiligen Persönlichkeitsmerkmale.
So wichtig die Verkehrserziehung für Kinder ist, sie bleibt nur ein Baustein, um die Mobilitätsbedingungen zu verbessern und die Unfallrisiken zu verringern. Eine wichtige Rolle spielen geeignete Maßnahmen zur Verkehrsraumgestaltung und Verkehrsregelung. Die Grundlage hierfür ist die Identifizierung von Problemen, etwa durch die Aufarbeitung von Unfallursachen und empirische Untersuchungen.
Die Ergebnisse können anschließend in die Verkehrsplanung und die Gestaltung der Infrastruktur einfließen. Gegebenenfalls geben die Analysen neue Impulse für die Verkehrslenkung (in Form von Markierungen, Verkehrszeichen etc.) und die Überwachung des Verkehrs. Diese ist auch für die effektive Durchsetzung gesetzlicher Regelungen für Verkehrssicherheit notwendig (Haltepflicht hinter blinkenden Schulbussen etc.).
Eine kindersichere Verkehrsinfrastruktur muss daher immer auf mehreren Ebenen gedacht werden.
Damit der Verkehrsraum für Kinder weniger gefährlich wird, muss deren Mobilität berücksichtigt werden. Immerhin nehmen Kinder und Jugendliche genau wie Erwachsene auf unterschiedliche Weise am Straßenverkehr teil: als Fußgänger, Radfahrer oder Nutzer des ÖPNV.
Maßnahmen wie Schulwegpläne, die unfallbegünstigende Gefahrenstellen im unmittelbaren Umfeld von Schulen identifizieren und beseitigen, sind deshalb nur ein Teilaspekt. Letztlich muss es darum gehen, nicht nur schwerpunktmäßig tätig zu werden, sondern den gesamten Verkehrsraum in die Planung und Gestaltung einzubeziehen. Das erhöht zwar den Aufwand, hat aber insgesamt große Vorteile:
Kindergerechte Infrastruktur heißt unter anderem, auf die noch nicht vollständig entwickelten körperlichen und kognitiven Fähigkeiten Rücksicht zu nehmen. Dabei können bauliche Maßnahmen ebenso helfen wie technische Schutzsysteme.
Hinzu kommen verschiedene Maßnahmen aus dem Bereich der Verkehrslenkung, wie eine ausreichende Beschilderung, das Einrichten von Parkverbotszonen in der Nähe von Haltestellen etc.
gehören zu den baulichen Möglichkeiten, mit denen Städte und Kommunen die Sicherheit für radfahrende Kinder verbessern können.
Weitere Maßnahmen bestehen darin, im Umfeld bekannter Gefahrenstellen eine Geschwindigkeits-Reduzierung für den Kraftfahrzeugverkehr zu etablieren. Tempo 30-Zonen tragen erheblich zu größerer Verkehrssicherheit bei, das gilt auch für diverse bauliche Mittel (Mittelinseln, Belagwechsel, Fahrbahnverengungen, Temposchwellen etc.).
Mehr Kindersicherheit im Straßenverkehr lässt sich nur erreichen, wenn alle verantwortlichen Personen und Institutionen die Bedürfnisse der Kinder ernstnehmen und in enger Zusammenarbeit umsetzen. Das schließt die Verkehrserziehung genauso ein wie die Gesetzgebung, die Stadt- und Verkehrsplanung und die Verkehrsüberwachung. Die Maßnahmen sollten ineinandergreifen, damit die Unfallprävention wirksam ist. Gerade gestalterische Verbesserungen haben dabei den großen Vorteil, dass alle Verkehrsteilnehmer – ob jung oder alt – von ihnen profitieren können. So wird aus einem kindersicheren Straßenverkehr ganz allgemein ein sicherer Straßenverkehr.
Quellen:
Limbourg, Maria/Reiter, Karl: Die Gefährdung von Kindern im Straßenverkehr.
https://www.uni-due.de/~qpd402/alt/texte.ml/pdf/KadS.pdf
Funk, Walter: Die Potentiale kommunal vernetzter Verkehrssicherheitsarbeit für Kinder (überarbeiteter Vortrag auf dem Symposium „Vernetzte Verkehrssicherheitsarbeit für Kinder im Erftkreis“).
https://www.ifes.fau.de/files/2017/07/FUNK_2003_IfeS-Materialienband_1-2003.pdf
Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr des Saarlandes: Verkehrssicherheitsprogramm für das Saarland.
https://www.saarland.de/mwaev/DE/downloads/verkehr/dld_Verkehssicherheitsprogramm_des_Saarlandes.pdf?__blob=publicationFile&v=3
Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (UK NRW): Prävention in NRW. Kinder unterwegs im Straßenverkehr.
https://www.unfallkasse-nrw.de/fileadmin/server/download/praevention_in_nrw/praevention_nrw_12.pdf
Bundesministerium für Digitales und Verkehr: Verkehrssicherheit für Kinder.
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/Verkehrssicherheit/verkehrssicherheit-kinder.html
Deutscher Verkehrssicherheitsrat: Kinder im Straßenverkehr. Eine Informationsbroschüre für Eltern von Kindern bis sechs Jahren.
https://www.dvr.de/fileadmin/downloads/kind-und-verkehr/Broschuere_Kinder-im-Strassenverkehr.pdf
Statistisches Bundesamt (Destatis): Historischer Tiefststand: Deutlich weniger Kinder-Verkehrsunfälle im Corona-Jahr 2020 (Pressemitteilung).
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/09/PD21_N055_462.html
Statistisches Bundesamt (Destatis): Verkehrsunfälle. Kinderunfälle im Straßenverkehr 2020.
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Publikationen/Downloads-Verkehrsunfaelle/unfaelle-kinder-5462405207004.pdf?__blob=publicationFile
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