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Selbstversorgung aus dem eigenen Garten: Was für die Menschen auf dem Land häufig immer noch ganz selbstverständlich dazugehört, lässt sich in Städten nur schwer umsetzen. Das Konzept der „essbaren Stadt“ setzt jedoch genau dort an und fördert das (gemeinsame) Gärtnern in einer urbanen Umgebung.
Urban Gardening ist inzwischen ein weit verbreitetes Phänomen, das in vielen Städten und in unterschiedlichen Formen praktiziert wird. Es bringt das Gärtnern auf kreativen Wegen in ein Umfeld, das hierfür meist keine ausreichenden Flächen bereithält – zumindest im Vergleich zu ländlichen Regionen, wo Nutz- und Ziergärten die Regel sind.
Das im englischen Todmorden entwickelte Konzept der „edible city“ („Essbare Stadt“) geht über die urbane Gärtnerei hinaus. Ziel ist eine gemeinsame Produktion von Lebensmitteln auf städtischen Flächen. Denn im Rahmen der 2008 entstandenen Idee kommen zahlreiche Teilaspekte wie das Urban Gardening zu einem größeren Ganzen zusammen.
So geht es bei der „essbaren Stadt“ etwa auch um verschiedene Gartenformen in der Stadt, um urbane Landwirtschaft, Ernährung, Bildung, Gemeinschaft, Biodiversität und Nachhaltigkeit.
Ernährung und mehr Miteinander in der Stadt, das war die Grundidee, auf der Pam Warhurst und Mary Clear ihr Konzept 2008 aufbauten. Wie weitreichend es mit Inhalten gefüllt werden kann, beweist seit 2009 der in Kassel gegründete Verein Essbare Stadt e.V.: Von Anfang an orientiert sich diese Gemeinschaft an den drei Säulen der Nachhaltigkeit und definiert darüber die verschiedenen Ziele.
Als übergreifende Planungs- und Gestaltungsmethode, die alle diese Ziele miteinander verbinden soll, setzt das Konzept auf Permakultur. Dahinter steckt eine Anbauweise, mit der nutzbare Ökosysteme geschaffen werden, die sich selbst erhalten können. Permakultur – was so viel bedeutet wie „dauerhafte Landwirtschaft“ (aus dem Englischen „permanent [agri]culture“) – wird seit den 1970er Jahren genutzt, um in Landwirtschaft und Gartenbau natürliche Ökosysteme und Kreisläufe nachzuahmen.
Seitdem ist Permakultur von der landwirtschaftlichen Gestaltungsmethode zu einer umfassenden Philosophie für eine nachhaltige Lebensweise und Landnutzung gewachsen.
Die Frage, die sich im Zusammenhang mit einem derart weitreichenden Ansatz wie dem der „essbaren Stadt“ unweigerlich stellt, lautet: Wie sollen alle diese Ziele in der Praxis umgesetzt werden? Die Antwort besteht aus einer Reihe unterschiedlicher Strategien, um die einzelnen Bereiche – Ökologie, Ökonomie, Soziales – hinreichend abzudecken und sinnvoll miteinander zu verbinden.
Das ursprüngliche Konzept für Kassel als „essbare Stadt“ machte in dieser Hinsicht bereits einige Vorschläge, um die Idee zu verwirklichen. Als Orientierungshilfe diente dabei die angestrebte Permakultur-Methode.
Einige der Strategien sind bereits in den oben aufgeführten Zielsetzungen enthalten. Das betrifft etwa die Forderung, Nutzungsstrukturen für die Ernte, die Verteilung und die Vermarktung von angebauten Lebensmitteln zu schaffen. Als mögliche Mittel kommen hierfür Nachbarschaftsvereine, Tauschringe, Saftmobile und ähnliche Einrichtungen in Frage.
Als weitere Umsetzungsmöglichkeiten nennt das Konzept von Kassel unter anderem:
Eine Reihe von Strategien umfasst außerdem Kooperationen für eine umfassende Vernetzung (mit Schulen, Kitas, Wohnbaugesellschaften, ansässigen Unternehmen und der Universität Kassel). Dabei spielen auch Angebote für die Gemeinbildung eine zentrale Rolle.
Durch das Vermitteln wichtiger Kulturtechniken soll langfristig die Pflege und die Erhaltung der Permakultur-Anlagen gewährleistet werden. Pflanzangebote für Privatgärten sind daneben eine Möglichkeit, um weitere Flächen für die „essbare Stadt“ zu gewinnen.
Die Leuchtturmwirkung der Projektidee war in Kassel ebenfalls von Beginn an Teil der Überlegungen. Die Stadt sollte mit dem Konzept und angegliederten Initiativen („Stadt im Wandel“, „Kassel blüht auf“, „StadtFruchtGenuß“, „WalnussWald Kassel“ etc.) eine Vorreiterrolle im Bereich Nachhaltigkeit einnehmen.
Rückblickend lässt sich festhalten, dass dieses Ziel erreicht wurde, vor allem zusammen mit dem beinah zeitgleich entstandenen „Essbare Stadt“-Konzept von Andernach. Beide Städte gaben den Anstoß zu einer Entwicklung, die sich inzwischen auf über 100 ähnliche Initiativen in Deutschland erstreckt.
Die „essbare Stadt“ gilt als Antwort auf viele gesellschaftlich relevante Herausforderungen, mit denen Städte heute umgehen müssen. Martina Artmann und Katharina Sartison von der RWTH Aachen sind deshalb im Rahmen eines Forschungsprojekts der Frage nachgegangen, wie groß die Umsetzungs- und Auswirkungspotenziale in der Praxis sind.
Im Mittelpunk der Untersuchung standen drei unterschiedliche Fallstudien – mit Städten, die das Konzept mehr oder weniger umfassend und explizit umsetzen. Mit Andernach ist eine der wichtigsten Vorreiterstädte dabei. Hier hat sich schon früh aus einem Projekt zum Schutz traditioneller Pflanzenarten und -sorten die langfristige Einrichtung von Permakultur-Flächen entwickelt. Diese werden durch die Kommune gepflegt.
Haar bei München hat die Idee aufgegriffen. Verantwortlich für das Anlegen von öffentlichen, nutzbaren Grünflächen war ebenfalls die Gemeindeverwaltung. Die Pflege liegt aber in den Händen der Bürger.
Anders liegt der Fall in München. Hier verfolgt die Stadtverwaltung kein explizites Konzept für die „essbare Stadt“. Allerdings gibt es verschiedene einzelne Initiativen und Vereine, die etwa öffentliche Gemeinschaftsgärten anlegen. Diese tragen auch die Verantwortung für die jeweils genutzten Flächen.
Die Herangehensweisen sind also in den drei untersuchten Städten recht verschieden. Allerdings sind die Herausforderungen, die alle drei Kommunen zu bewältigen haben – wenn auch in unterschiedlichem Maßstab –, ähnlich. Das gilt genauso für die Erwartungen an die Wirkung der „essbaren Stadt“.
In Umfragen, die die Studie „Umsetzung und Auswirkungen essbarer Städte“ begleitet haben, zeigen sich daher viele Überschneidungen. Positive Impulse werden in mehreren Bereichen erwartet:
Als wichtigste Herausforderung wurde die wachsende Anonymität genannt, die in Folge einer fortschreitenden Urbanisierung entsteht.
Die Befragten wünschten sich daher
Das zentrale Element der „essbaren Stadt“ ist die urbane Lebensmittelproduktion (ULP). Auch an sie sind Erwartungen geknüpft, etwa
Die Beispiele Kassel und Andernach zeigen, wie groß die Strahlkraft einer „essbaren Stadt“ sein kann – und welche wirtschaftliche Bedeutung das Konzept damit für verschiedene Bereiche entwickeln kann.
Die Auswirkungen betreffen
Urbane Bebauung verstärkt viele Effekte des Klimawandels zusätzlich: Wärmeinseleffekte, Schadstoffbelastungen und Überschwemmungen gehören zu den möglichen Folgen. Die Permakultur mit ihren langlebigen und dauerhaften Grünflächen verspricht in diesem Punkt Verbesserungen, z. B.
Nicht nur in Anbetracht einer alternden Gesellschaft spielen Lebensqualität und Gesundheit in der Stadt eine immer größere Rolle. Die Förderung von Tätigkeiten im Grünen hat in dieser Hinsicht viele Vorteile:
Eine Folge der Urbanisierung war seit jeher, dass weite Teile der Lebensmittelproduktion ausgelagert wurden. Die Folge: eine Abhängigkeit von Versorgern auf dem Land.
Die „essbare Stadt“ kann diese Entwicklung wenigstens teilweise aufbrechen. Mehr Grünflächen für die Selbstversorgung bedeuten eine größere Lebensmittel- und Ernährungssicherheit.
Die Gärten in Berlin etwa liefern jährlich rund 7.600 Tonnen Lebensmittel – genug für die Versorgung von ca. 50.000 Menschen.
Durch das stärkere Bewusstsein für die Qualität regionaler und/oder biologisch angebauter Lebensmittel entsteht innerhalb der „essbaren Stadt“ zugleich eine größere Akzeptanz für eine Landwirtschaft, die nach diesen Prämissen arbeitet.
Die Möglichkeit, regionale Betriebe für die Lebensmittelproduktion anzusiedeln, wurde daher häufiger als Potenzial in den Interviews genannt.
Permakulturen bieten neben ihrer Versorgungsfunktion eine wichtige Chance, um die Biodiversität in den Städten zu verbessern:
Das gilt nicht allein für die Pflanzenvielfalt, die eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren der essbaren Stadt ist. Vielmehr dienen Bäume, Sträucher und sonstige Anpflanzungen der heimischen Fauna als Habitate. Insekten, Vögel und andere Tiere finden so neue Lebensräume.
Ein wichtiger Aspekt der „essbaren Stadt“ ist ihre Multifunktionalität. Diese liegt vor allem darin begründet, dass ökologische, ökonomische und soziale Teilbereiche auf verschiedenen Ebenen miteinander verbunden sind.
Obstbäume etwa bieten Schatten, verbessern die Luft, liefern Früchte, fördern die psychische Gesundheit, bieten Tieren Schutz und Nahrung – und vieles mehr. Durch Permakultur-Systeme lassen sich solche Synergieeffekte noch weiter verstärken.
Entgegen der verbreiteten Bezeichnung geht es bei der „essbaren Stadt“ eben nicht nur um das Essen. Insgesamt soll das Konzept dabei helfen, nachhaltigere Lösungen für die Stadtentwicklung zu finden. Kreislaufsysteme spielen in dieser Hinsicht eine große Rolle, weil sie Ressourcen schonen.
Das Paradebeispiel in dieser Hinsicht ist das Aquaponik-Verfahren: Es verbindet die Kultivierung von Pflanzen in Hydroponik (die nur im Wasser, ohne Erde gezogen werden) mit der Fischzucht in Aquakulturen. Das Prinzip benötigt allerdings ein Gewächshaus und Fische, die an höhere Temperaturen gewöhnt sind. Die nährstoffreichen Abwässer aus den Aquarien lassen sich zum Düngen der Gemüsepflanzen einsetzen.
Damit die „essbare Stadt“ funktionieren kann, braucht es also kreative Ansätze und klare Bedingungen: Ein schadstofffreier Gemüseanbau ist nur möglich, wenn der Abstand der Beete zu Verkehrswegen ausreichend groß ist. Das Ernten von Obst und Gemüse von öffentlichen Grünflächen unterliegt immer noch Regeln, an die sich die Bürger halten müssen. Dazu bleibt die Umsetzung an die Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Flächen in der Stadt geknüpft – und die sind meist knapp.
Die Lösungen müssen trotzdem nicht zwingend so aufwändig wie Aquaponik-Anlagen sein. Hochbeete für den Gemüseanbau lassen sich in ihrer Größe problemlos an den vorhandenen Platz anpassen, sind unkompliziert aufzubauen und verhindern unter anderem, dass Schadstoffe über den Boden in die Pflanzen gelangen können. Beerensträucher und andere Gehölze können mit Hilfe von Pflanzkübeln flexibel an günstigen Standorten in der Stadt untergebracht werden, ohne dafür in die Infrastruktur eingreifen zu müssen.
Nicht nur die Beispiele Andernach und Kassel zeigen, dass es Mittel und Wege gibt, die „essbare Stadt“ in der Praxis umzusetzen. Die wachsende Zahl der Städte, die das Konzept auf unterschiedliche Weise adaptieren, spricht eindeutig für dessen Potenzial.
Quellen:
Bauwelt.de: Projekte für die essbare Stadt
https://www.bauwelt.de/das-heft/heftarchiv/Projekte-fuer-die-essbare-Stadt-Lebensmittelherstellung-Lebensmittelverarbeitung-Lebensmittelrecycling-2680847.html
Pflanzenforschung.de: Die essbare Stadt. Grüne urbane Trends zum Mitmachen
https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/die-essbare-stadt-gruene-urbane-trends-zum-mitmachen-10475
Kliem, Lea/Kuhlmann, Miriam: Reiche Ernte in Berliner und Stuttgarter Gärten. Nahrungsmittelproduktion in Gemeinschaftsgärten, Kleingärten und auf Mietäckern in Berlin und Stuttgart (GartenLeistungen | Arbeitsbericht)
https://www.ioew.de/fileadmin/user_upload/BILDER_und_Downloaddateien/Publikationen/2022/Kliem_Kuhlmann_2022_Reiche_Ernte_in_Berliner_und_Stuttgarter_Gaerten.pdf
Artmann, Martina/Sartison, Katharina: Umsetzung und Auswirkungen essbarer Städte. Eine naturbasierte Lösung für gesellschaftliche Herausforderungen der Urbanisierung?
https://www.planung-neu-denken.de/wp-content/uploads/artmann_sartison_pnd_1-2021_grosse_quartiere.pdf
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