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Fahrradstraßen sind in einigen europäischen Ländern ein fester Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur – nicht zuletzt deshalb, weil sie als vergleichsweise sichere Führungsform für den Radverkehr gelten. Einheitliche Vorgaben zur Gestaltung und Einrichtung der Fahrradstraßen gab es jedoch lange nicht, obwohl das Konzept auch in Deutschland kein neues ist.
Die ersten Versuche mit Fahrradstraßen als Element der Verkehrsplanung in Deutschland gab es in Bremen im Jahr 1978. Hier wurde die Herbststraße nach einem Vorbild aus Amsterdam umgestaltet. Zu diesem Zeitpunkt waren Fahrradstraßen jedoch noch kein Bestandteil der Straßenverkehrsordnung (StVO), das Projekt lief unter der Bezeichnung „Radfahrerzone“.
Erst mit der Novelle im Jahr 1997 wurden Fahrradstraßen in die StVO aufgenommen, zusammen mit der Möglichkeit, Einbahnstraßen für Radfahrer in Gegenrichtung zu öffnen. Während die rechtlichen Rahmenbedingungen damit abgesteckt waren – mit der StVO-Novelle 2020 wurden diese erweitert –, blieben die gesetzlichen Ausführungen zur Gestaltung lange Zeit noch vage.
Aus diesem Grund hat sich ein Projekt der Bergischen Universität Wuppertal (BUW) und des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) mit Gestaltungs-, Qualitäts- und Komfortmerkmalen für eine bundesweite Vereinheitlichung bemüht. Ein Leitfaden soll in Zukunft dabei helfen, Fahrradstraßen überall nach klaren Standards anzulegen.
Maßgeblich für die Regeln auf Fahrradstraßen ist die StVO, zusammen mit der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO). Sie geben vor, dass
Die VwV-StVO weist darauf hin, dass Fahrradstraßen dort eine Option sind, wo der Radverkehr bereits die vorherrschende Verkehrsart ist oder es in absehbarer Zeit („alsbald“ im Wortlaut) sein wird. Als Element eines städtebaulichen Verkehrskonzepts oder der städtebaulichen Entwicklung können Fahrradstraßen dabei helfen, Lücken im Radverkehrsnetz zu schließen.
Sowohl die StVO als auch die VwV-StVO machen nur wenige Angaben darüber, wie die Kommunen eine Fahrradstraße in der Praxis umsetzen sollen. Beginn und Ende sind mit den entsprechenden Straßenschildern (VZ 244.1 bzw. VZ 244.2) zu kennzeichnen. Seit der StVO-Novelle 2020 haben Städte und Gemeinden außerdem die Möglichkeit, sogenannte „Haifischzähne“ zu verwenden, um die Vorfahrt des Radverkehrs auf Radschnellwegen anzuzeigen. Die Markierung wird bislang an Kreuzungen mit Rechts-vor-links-Regelung eingesetzt.
Selbst die relevanten technischen Regelwerke, also die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) und die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) bieten hinsichtlich der Ausführung kaum mehr Informationen:
Da beide Regelwerke aktuell überarbeitet und inhaltlich abgestimmt werden, ist mit ausführlicheren Angaben zu den Fahrradstraßen zu rechnen. Zumindest die neuen ERA sollen die Thematik in einem eigenen Kapitel behandeln.
Wichtige Hinweise hat der niederländische CROW-Fietsberaad im Jahr 2018 mit dem Leitfaden „Fietsberaadnotitie aanbevelingen fietsstraaten binnen de kom“ auch für deutsche Kommunen geliefert (die deutsche Übersetzung – „Empfehlungen für Fahrradstraßen innerorts“ – ist seit 2019 verfügbar). Der Fachbeirat für Fahrradfragen führt darin drei Grundvoraussetzungen und sieben (optionale) Gestaltungselemente für Fahrradstraßen an.
Grundvoraussetzung 1: Fahrradstraßen-Schild |
Gemäß der niederländischen Straßenverkehrsordnung kommt dem Verkehrszeichen keine rechtliche Bedeutung zu, weil das gewünschte Verkehrsverhalten durch die Gestaltung der Infrastruktur erreicht werden soll. Die Schilder müssen dennoch aufgestellt werden, damit bei allen Verkehrsteilnehmern Sicherheit bezüglich der Besonderheiten der Straße besteht. |
Grundvoraussetzung 2: Farbiger Asphalt |
In den Niederlanden sind Fahrradstraßen – neben der Beschilderung – durch roten oder rötlichen Asphalt markiert. Dieser gewährleistet die bessere Erkennbarkeit für die Verkehrsteilnehmer. |
Grundvoraussetzung 3: Fahrbahnbreite |
Bei der Ermittlung der optimalen Fahrbahnbreite für Fahrradstraßen spielt nicht nur das Radverkehrsaufkommen eine Rolle. Die Breite richtet sich vielmehr nach dem Umfang von Kfz- und Radverkehr und räumt Autofahrern genügend Platz ein, damit sie Radfahrer in ausreichendem Abstand und mit gemäßigter Geschwindigkeit überholen können. Der Fietsberaad legt deshalb die Anzahl von Kfz und Radfahrenden pro Stunde für die Berechnung zu Grunde und berücksichtigt den jeweiligen Begegnungsfall (Rad-Rad, Kfz-Rad, Kfz-Kfz). Empfohlen werden Breiten zwischen 4,20 m und 7,10 m. Für die Querschnittsaufteilung zeigt der Leitfaden des niederländischen Fachbeirats verschiedene Optionen mit recht genauen Maßangaben auf: Fahrstreifen sollen 2 bis 2,5 m (für eine Fahrtrichtung) bzw. 3 bis 4 m (für beide Fahrtrichtungen) breit sein, für den Mittelstreifen sind 0,5 bis 1,7 m vorgesehen, dazu kommen gepflasterte Randstreifen mit 30 bis 40 cm Breite. |
Gestaltungselement 1: Beschilderung, Fahrbahnpiktogramme & Wegweisung |
Während deutsche Fahrbahnstraßen häufig durch Fahrbahnpiktogramme hervorgehoben werden, empfiehlt der Fietsberaad einen möglichst reduzierten Einsatz von diesen und ähnlichen Kennzeichen. In ungünstigen Fällen wirken sie ablenkend und stören damit die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer. |
Gestaltungselement 2: Geschwindigkeitsreduzierende Maßnahmen |
Als beste Option stellt der Leitfaden sinusförmige Fahrbahnwellen heraus. Sie sorgen effektiv dafür, dass Autofahrer die Geschwindigkeit ihrer Fahrzeuge verringern müssen, stellen aber für den Radverkehr kein nennenswertes Hindernis dar. |
Gestaltungselement 3: Verkehrslenkende Maßnahmen |
Durch das Einrichten von gegenläufigen Einbahnstraßen (die also von den Fahrradstraßen wegführen) oder das Aufstellen von Pollern kann der Durchgangsverkehr so umgelenkt werden, dass er für die Fahrradstraßen keine Beeinträchtigung darstellt. |
Gestaltungselement 4: Knotenpunkte mit Erschließungsstraßen |
Die Fahrradstraße sollte durchgehend über den Knoten geführt werden. Dazu kommt entweder eine entsprechende Vorfahrtregelung in Frage oder Gehwegüberfahrten. |
Gestaltungselement 5: Parken, Be- und Entladen |
Parkflächen für Kraftfahrzeuge bedeuten für den Radverkehr Einbußen bei Komfort und vor allem bei der Sicherheit. Falls realisierbar, sollten Parkflächen daher verlagert und Parkplätze als Längsparken angelegt werden. Ein Restrisiko bleibt so immer noch bestehen, weshalb Sicherheitstrennstreifen sinnvoll sind. Neben den Kfz-Parkplätzen verweist der Leitfaden des Fietsberaad außerdem auf die Notwendigkeit von Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. |
Gestaltungselement 6: Einschränkung von Behinderungen durch und für Fußgänger |
Vor allem stark befahrene Fahrradstraßen stellen für den Fußverkehr ein Hindernis dar. Deshalb sind Querungshilfen in Form von Verkehrsinseln und Zebrastreifen mit Fahrbahnschwellen ein wichtiges Element, um die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer zu verbessern. |
Gestaltungselement 7: Lichtmasten, Bäume & andere vertikale Elemente |
Der Fietsberaad stellt nicht nur die Funktion der Fahrradstraßen für den Verkehr heraus, sondern verweist zudem auf deren Aufenthaltscharakter. Dieser kann mit verschiedenen Elementen unterstrichen werden, womit zugleich der Vorrang der Fahrradstraße betont wird. |
In ihrem „Leitfaden für die Praxis“ greifen BUW und Difu die Aspekte aus dem niederländischen Vorbild auf. Um die Verkehrssicherheit auf Fahrradstraßen zu gewährleisten, sollten die Kommunen deshalb ebenfalls bestimmte Grundvoraussetzungen schaffen:
Diese grundlegenden Bedingungen ergänzt der Leitfaden um konkrete Gestaltungsempfehlungen. Sie gründen unter anderem auf der Feststellung, dass die Beschilderung der Fahrradstraßen allein nicht ausreicht, um diese für alle Verkehrsteilnehmer kenntlich zu machen. Im alltäglichen Verkehr bedeutet das häufig, dass keine Klarheit bezüglich der geltenden Regeln herrscht – und damit erhöht sich das Unfallrisiko.
Grundsätzliche Gestaltungsmaßnahmen
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Farbmarkierungen
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Als Regelbreite geben BUW und Difu eine Fahrgasse von 4 m vor. Damit ist ausreichend Platz für nebeneinander fahrende Radler. Außerdem ist die Begegnung von Fahrrad und Kfz bei diesen Abmessungen problemlos möglich. Abweichungen können allerdings auftreten, da der Fahrbahnquerschnitt von zahlreichen Faktoren abhängt:
Als Mindestbreiten empfiehlt der Leitfaden eine Fahrgasse mit einer Breite von 3,5 m, die zu beiden Seiten von einem Sicherheitstrennstreifen zu den Parkflächen von 0,5 m flankiert
Es klingt paradox, dennoch geht vom ruhenden Verkehr eine große Gefahr für Radfahrer aus: Fahrzeuge, die auf der Fahrbahn abgestellt werden, viele Parkwechsel oder unachtsam aufgestoßene Autotüren mindern die Sicherheit für den Radverkehr.
Ausreichende Sicherheitsstreifen (empfohlen sind mindestens 0,75 m), das Vermeiden von Schräg- und Senkrechtparkständen und ausgewiesene Ladezonen können diese Problematik entschärfen.
Dieser Bereich der Ausgestaltung ist eine besondere Herausforderung: Einerseits soll der Kfz-Verkehr beruhigt werden, andererseits ist ein verbesserter Verkehrsfluss für die Radfahrer das Ziel. Viele Optionen haben bei einer der beiden Aufgaben Defizite. Engstellen beeinträchtigen beispielsweise Auto- und Radfahrer gleichermaßen und tragen im schlechtesten Fall dazu bei, dass das Radverkehrsaufkommen entgegen der Intention nachlässt.
Bessere Alternativen sind deshalb Diagonalsperren (die sich mit Absperrpollern einfach umsetzen lassen) oder die schon angesprochenen Sinuswellen. In manchen Fällen kommen auch geteilte Plateaupflasterungen zum Einsatz, wie sie die RASt empfiehlt.
Wegen der erhöhten Unfallgefahr sind Knotenpunkte bei der sicheren Gestaltung von Fahrradstraßen besonders wichtig. Der Erkennbarkeit kommt daher eine zentrale Rolle zu. Daneben lässt sich über die bauliche Ausgestaltung die Verkehrssicherheit verbessern. Mit Hilfe von Gehwegüberfahrten können zum Beispiel Bevorrechtigungen umgesetzt werden. Als Ergänzung dienen die entsprechenden Verkehrszeichen.
Das gilt in ähnlicher Weise für die Anfangs- und Endbereiche der Fahrradstraßen. Der Übergang vom sonstigen Straßenverkehrsnetz muss sofort erkennbar sein. Um die Verkehrsverhältnisse zu verdeutlichen, sollten die Kommunen nicht allein auf die Beschilderung setzen.
Erläuterungstafeln haben nach Auswertungen der Leitfaden-Autoren einen positiven Einfluss auf das gewünschte Verkehrsverhalten. Lichtsignale, Schutzstreifen, vorgezogene Seitenräume oder Pflanzbeete sind weitere Möglichkeiten, um die Netzeinbindung baulich zu betonen.
Die sichere Gestaltung und die richtige Integration von Fahrradstraßen sind komplexe Herausforderungen, bei der viele verschiedene Aspekte zu beachten sind. Die Ziele – Bündelung, Beschleunigung, Komfortverbesserung und hohe Verkehrssicherheit – lassen sich nur durch eine Kombination unterschiedlicher gestalterischer Elemente erreichen. Ein zentraler Faktor bleibt aber in jedem Fall der Kfz-Durchgangsverkehr. Ohne wirksame Maßnahmen, um diesen zu reduzieren, können auch Fahrradstraßen nicht wie gewünscht funktionieren.
Quellen:
ADAC: Fahrradstraßen – diese Regeln gelten
https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/zweirad/fahrrad-ebike-pedelec/vorschriften-verhalten/fahrradstrassen/
Becker, Thilo: Die Gestaltung des Erfolgsmodells Fahrradstraße – Weiterentwicklung für Tempo-30-Zonen
https://publish.fid-move.qucosa.de/api/?tx_dpf%5Bqid%5D=qucosa%3A35050&tx_dpf%5Baction%5D=attachment&tx_dpf%5Battachment%5D=ATT-0
Fahrradportal: Wichtiges Element im Baukasten der Verkehrsplanung – Fahrradstraßen
https://nationaler-radverkehrsplan.de/de/forschung/schwerpunktthemen/fahrradstrassen
Deutsches Institut für Urbanistik (Difu)/ Bergische Universität Wuppertal: Fahrradstraßen – Leitfaden für die Praxis
https://www.svpt.uni-wuppertal.de/fileadmin/bauing/svpt/Forschung/Projekte/Leitfaden_Fahrradstrassen_072021.pdf
CROW-fietsberaad: Fietsberaadpapier „Empfehlungen für Fahrradstraßen innerorts“
https://fietsberaad.nl/getmedia/9665d61a-19af-409c-b1b4-75750881d67c/Fietsberaadpapier-Empfehlungen-fur-Fahrradstra%C3%9Fen-innerorts-(Duits).pdf.aspx?ext=.pdf
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