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Mehr InformationenFlüsse sind seit jeher eine der wichtigsten Voraussetzungen für wachsende, florierende Städte. Heute spielen die Ufer dieser Flüsse in zunehmendem Maße eine Rolle als Stadtraum mit unterschiedlichen Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten. Der Umgang mit und die Konzepte für die Gestaltung urbaner Uferzonen von Flüssen sind dabei vielfältig.
Die Studie eines internationalen Forschungsteams hat 2019 in besonderer Weise darlegen können, wie stark Flüsse weltweit von den Menschen vereinnahmt werden. Insgesamt 12 Millionen Kilometer Flussläufe wurden dabei untersucht. Die Ergebnisse: Von Flüssen mit einer Länge von mehr als 1.000 km fließen nur noch 37 Prozent auf ihrem gesamten Verlauf frei. Weniger als ein Viertel dieser Flüsse erreicht einen See, ein Meer oder einen Ozean ohne Unterbrechung.
Vor allem in dicht bevölkerten Regionen in Nordamerika, Asien und Europa werden die Gewässer als Transportwege und für die Energiegewinnung genutzt. Nach wie vor stehen die Wasserwege im Fokus von Staudammprojekten oder ambitionierten Stadtentwicklungsvorhaben. In Straßburg etwa stehen entlang des Rheins große Veränderungen an.
Eigentlich erstreckt sich die elsässische Stadt Straßburg über bzw. liegt zwischen zwei Flüssen: Durch das Stadtzentrum fließt die Ill, während sich die östlichen Stadtteile bis zum Rhein ausdehnen. Hier liegt auch der Straßburger Hafen, der zweitgrößte Binnenhafen Frankreichs, obwohl längst nicht mehr alle Hafenbetriebe aktiv sind.
Innerhalb dieses Areals entstehen seit einigen Jahren vier neue Stadtviertel auf einer Fläche von 250 ha. Das Großprojekt „Deux-Rives“ soll eine Verbindung vom Heyritz-Quartier an der Ill bis zur Stadt Kehl auf der deutschen Rheinseite schaffen.
Für die Planung spielt der Rhein aus unterschiedlichen Gründen eine wichtige Rolle, nicht nur als Industrie- und Hafenstandort. Denn bevor der Fluss durch Kanäle und Hafenbecken in seine heutige Form gebracht wurde, umgab er die neu entstehenden Quartiere: Citadelle, Starlette, Coop und Rives & Port du Rhin lagen früher als Inseln inmitten des Rheins.
Bei der Gestaltung der neuen Stadtviertel, insbesondere im Quartier Rives & Port du Rhin, geht es daher auch immer um die Frage, wie das Rheinufer mit Spiel-, Sport- und Naturräumen aussehen könnte.
Waterfront Development: Was ist das?
Der Begriff „Waterfront Development“ beschreibt die Revitalisierung von brachgefallenen und/oder minderbenutzten Hafen- und Uferzonen. Es handelt sich hierbei inzwischen um einen internationalen Trend, vor allem durch die Waterfront Development-Projekte von Metropolen wie New York, Boston, London oder Hamburg.
Besondere Bedeutung hat diese Form der Stadtentwicklung wegen der sich verändernden Rolle der Hafenbereiche. Neben der Funktion als Umschlagsplatz für den Güter- und Containerverkehr sind die Uferlandschaften zunehmend als Wohnumfeld oder Naherholungsbereich interessant.
Zu unterscheiden sind allerdings Aspekte der Hafenplanung und der Stadtplanung, die bei der Revitalisierung durchaus unterschiedlichen Zielen folgen: Die Hafenplanung konzentriert sich in der Regel auf die Innenentwicklung, bei der Stadtplanung geht es hingegen um Nutzungsänderungen.
Die Projekte für die Gewässer- und Stadtentwicklung müssen keinesfalls die Dimensionen des Straßburger Vorhabens erreichen. Eine Gestaltung von Fluss- und Bachläufen sowie deren Uferzonen ist unter verschiedensten Voraussetzungen möglich.
Es muss daher nicht immer eine ausgediente Hafenanlage sein, um die herum neue Nutzungen für ein vielfältiges städtisches Leben entstehen. Selbst kleinere Maßnahmen sind geeignet, aus den meist verbauten und begradigten Gewässern vielfältige, naturnahe Erlebnisräume für Stadtbewohner und Besucher zu schaffen.
Die Aufgabe ist ebenso komplex wie die Stadtentwicklung im Allgemeinen – mit hohen Anforderungen in jeder Hinsicht: unterschiedliche Interessengruppen, verschiedene Erwartungen und Erfordernisse, ein knappes Raumangebot.
Aber gerade die Flächenknappheit in verdichteten Städten macht die Beschäftigung mit Uferzonen umso interessanter. Denn hier bieten sich Möglichkeiten, um Räume für diverse Nutzungen zurückzugewinnen.
Flusslandschaften zeigen sich im urbanen Kontext als vielfältige Bereiche: Sie verbinden ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Funktionen. Dabei umfassen sie den Fluss als solchen, seine Uferzonen und die angrenzenden Räume mitsamt ihren städtebaulichen Strukturen. Für die Entstehung und das Wachstum von Städten waren und sind diese Landschaften elementar.
Seit der präindustriellen Phase, in der die meisten Städte gegründet wurden, haben sich die Betrachtungsweisen und Prioritäten im Hinblick auf die Rolle der Flüsse immer wieder verändert. Manche Aspekte – etwa die Funktion als Verkehrswege und Handelsrouten – sind bis heute gleichgeblieben.
Ein Blick zurück hilft dabei, die heutigen (und zukünftigen) Herausforderungen und Anforderungen an die Gewässerentwicklung besser zu verstehen – zumal die Flüsse und Flusslandschaften immer stärker in den Fokus der Stadtentwicklung rücken.
Dass Flüsse und die angrenzenden Uferbereiche für die innerstädtische Freiraumgestaltung „entdeckt“ wurden, ist ein vergleichsweise junges Phänomen. Dafür gibt es zahlreiche Gründe, zum Beispiel:
Die Siedlungen orientierten sich am Verlauf der Flüsse. Besonders an den Ufern entwickelten sich stark verdichtete städtebauliche Strukturen. Dadurch kam es zu einer zunehmenden Trennung von Stadt und umgebender Landschaft.
Die Flüsse dienen vor allem als Lieferanten von Frischwasser.
Während die Industrie die Nähe zu den Flüssen sucht, bewegt sich die Siedlungsentwicklung von diesen weg. Sie dehnt sich in die umliegende Landschaft aus, die dadurch zum Teil der Stadtentwicklung wird.
Dazu gehört unter anderem, die Flussläufe und Uferbereiche zu renaturieren, etwa um sie als Retentionsflächen zu nutzen und die biologische Vielfalt zu fördern. Der Fluss als Lebensraum rückt wieder stärker in den Mittelpunkt.
Im Kontext der neuen Freiraumentwicklung in den Flusslandschaften wird der einstige Gegensatz zwischen Landschaft und Stadt aufgelöst.
Alle diese Entwicklungen führen dazu, dass die Sichtweise auf die Flusslandschaften heute eine völlig andere ist. Dazu tragen auch andere Faktoren bei: Hierunter fällt beispielsweise die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die unter anderem die grundlegenden Ziele und Aufgaben für eine integrierte Gewässerschutzpolitik umfasst. Zu berücksichtigen sind aber ebenso die heutigen Ansprüche an innerstädtische Erholungsflächen, die einen wichtigen Baustein für gesündere und lebenswertere Städte darstellen.
Dadurch sind Vorhaben, die im Rahmen von Waterfront Development, einer Hafenrevitalisierung oder Projekten für die „Stadt am Wasser“ durchgeführt werden, eine äußerst vielschichtige Angelegenheit.
Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und ihre Umsetzungen in nationales Recht dienen einer ganzheitlichen Betrachtung von Gewässern, bei der insbesondere ökologische Aspekte zu beachten sind. Artikel 1 legt die übergeordneten Ziele fest:
Innerstädtische Wasserlagen sind aus vielerlei Gründen sehr begehrt, weil sich hier ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Funktionen realisieren lassen. Die große Schwierigkeit besteht darin, diese verschiedenen Nutzungen gegeneinander abzuwägen oder miteinander zu verbinden.
Insofern wirken auch bei der Freiraumgestaltung von urbanen Flusslandschaften die gleichen Herausforderungen wie bei der Innenentwicklung von Städten im Allgemeinen. Flächenknappheit, vielfältige Anforderungen – etwa die Veränderungen des Stadtklimas – und eine Vielzahl an Nutzungsinteressen erschweren auch bei Projekten im Bereich des Waterfront Development die Planung und Umsetzung.
Eine Bestandsaufnahme der Stadtentwicklungsprojekte am Wasser durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) vor einigen Jahren hat ergeben, dass ein Großteil der damals aktuellen Vorhaben in den Bereich Freizeit und Erholung fiel. Daneben machten Wohnen und gewerbliche Nutzungen einen großen Anteil aus.
Das entspricht dem nach wie vor aktuellen Ziel der urbanen Innenentwicklung, die meist nutzungsgemischte Stadtquartiere anstrebt. Daraus ergeben sich komplexe Entwicklungsansätze, da viele Handlungsfelder und denkbare Maßnahmen zusammenfließen. Hinzu kommen jeweils sehr unterschiedliche Voraussetzungen vor Ort: Vornutzungen oder frühere Eingriffe in den Flussverlauf sind nur zwei der Herausforderungen, mit denen sich Stadtplaner und -entwickler befassen müssen.
Das BBSR hat die Entwicklungsansätze, Handlungsfelder und einige der dazugehörigen Projektbausteine für die Stadtquartiersentwicklung am Wasser zusammengefasst.
Als dritte Säule kommen noch prozessorientierte Entwicklungsansätze hinzu, deren Maßnahmen sich unter dem Stichwort „Kooperation“ zusammenfassen lassen. Sie spiegeln damit alle Elemente einer integrierten Quartiersentwicklung wider. Die wichtigsten Bausteine sind demnach:
In der Praxis, darauf weist das BBSR deutlich hin, kann das Spektrum der Projektbausteine noch weiter variieren. Das gilt zum Beispiel in Fällen, in denen die Entwicklungsprojekte an einem Fluss in ein gesamtstädtisches Konzept eingebunden sind.
Bei der Ausgestaltung von städtischen Flusslandschaften haben Stadtentwickler diverse Möglichkeiten. Das zeigt nicht nur das Straßburger Beispiel, sondern auch viele Projekte in Deutschland.
Der Münchener Isar-Plan setzte einerseits Maßnahmen zum Hochwasserschutz um, andererseits konnten Naturnähe und Erholungsqualitäten hergestellt werden. So war es möglich, die Isaraue als Identifikationsraum für die Stadt zu erhalten. Durch die vorgenommenen Veränderungen hat der Fluss heute sogar mehr Raum zwischen den Deichen. Der renaturierte Flussabschnitt ist durch die Abflachung der Ufer, durch Treppenanlagen sowie die bessere Anbindung an Fuß- und Radwege zudem für die Menschen besser nutzbar – wozu auch Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität beigetragen haben.
In Berlin soll der Spreekanal nach fast 100 Jahren wieder von den Bewohnern zum Schwimmen und Baden genutzt werden können. Das Projekt „Fluss Bad“ blickt selbst bereits auf eine längere Geschichte zurück, die ersten Ideen entstanden 1997. Seit 2019 ist das Gebiet zwischen Fischerinsel und Monbijoubrücke als Stadtumbaugebiet ausgezeichnet.
Für den insgesamt 1,5 km langen Flussabschnitt ist laut Planung eine Gliederung in drei Bereiche vorgesehen: Ein natürliches Schwimmbecken soll über breite Ufertreppen am Lustgarten und am Schlossplatz zugänglich gemacht werden. Die Badequalität des Wassers wird durch eine Pflanzenkläranlage oberhalb des Flusslaufs gewährleistet. Daran schließt sich ein renaturierter Bereich an, bevor die Spree in den Schwimmbereich gelangt.
Da das Projekt im historischen Umfeld der Museumsinsel angesiedelt ist, kommen neben ökologischen Faktoren und den Bemühungen um mehr Lebensqualität auch Denkmalschutz-Belange zum Tragen. Wann das „Fluss Bad“ fertiggestellt werden kann, ist derzeit (Stand: März 2023) noch unklar.
Die beiden Beispiele vermitteln einen Eindruck davon, wie vielfältig der Umgang mit urbanen Flusslandschaften – und wie groß der Zugewinn für die Städte und ihre Einwohner sein kann. Das Element Wasser bietet dabei zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Auch deshalb bemühen sich weitere Städte wie Bonn mit der Rheinpromenade, Stuttgart mit dem Masterplan Neckar oder Münster mit dem Plan zum Waterfront Redevelopment am Stadthafen um eine attraktivere Umgestaltung ihrer Flüsse und der Uferbereiche.
Quellen:
Bertuzzo, Elisa T./Nest, Günter: Städte im Fluss (in: Bauwelt 48, 2011)
https://www.bauwelt.de/dl/746711/bw_2011_48_0014-0021.466671.pdf
Kabisch, Wolfgang: Straßburg am Rhein?
https://www.bauwelt.de/themen/betrifft/Strassburg-am-Rhein-neue-Stadtplanung-am-alten-Hafen-Agence-TER-51N4E-2637217.html
Park, Jong-Ki: Fluss als städtebauliches und architektonisches Element der Stadterneuerung
https://d-nb.info/1007616768/34
Baukultur Baden-Württemberg: Gewässer- und Hochwasserschutz
https://www.baukultur-bw.de/aktiv/stadt-und-natur/gewaesser-und-hochwasserschutz
Stadtmarketing.eu: Flüsse als urbane Kultur- und Lifestyleorte
https://www.stadtmarketing.eu/fluesse-als-kulturort/
Zukunftsinstitut: Urban Waters: Stadt im Fluss
https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/urban-waters-stadt-im-fluss/
Levin-Keitel, Meike: Flusslandschaften in der Stadt. Zur Bedeutung von Flüssen in der Freiraumentwicklung
https://www.researchgate.net/profile/Meike-Levin-Keitel/publication/305827747_Flusslandschaften_in_der_Stadt_Zur_Bedeutung_von_Flussen_in_der_Freiraumentwicklung/links/57a3645108ae455e852fbc40/Flusslandschaften-in-der-Stadt-Zur-Bedeutung-von-Fluessen-in-der-Freiraumentwicklung.pdf
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR): Stadtquartiersentwicklung am Wasser
https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/analysen-kompakt/2015/DL_13_2015.pdf;jsessionid=95B01952B243FE7EE7381DB2D4A011A7.live11292?__blob=publicationFile&v=1
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR): Integrierte Stadtquartiersentwicklung am Wasser
http://www.bgmr.de/system/publications/files/000/000/024/original/WP_77.pdf?1522999359
Umweltbundesamt: Renaturierung von Fließgewässern: ein Blick in die Praxis
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021-06-09_texte_88-2020_abschlussbericht_gewaesserrenaturierung.pdf
Umweltbundesamt: Kleine Fließgewässer pflegen und entwickeln. Neue Wege bei der Gewässerunterhaltung
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3747.pdf
Umweltbundesamt: Zustand
https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/fluesse/zustand#hydromorphologie
Umweltbundesamt: Nutzungen und Belastungen
https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/gewaesser/fluesse/nutzung-belastungen#belastungen-und-gefahrdungen
Umweltbundesamt: Gewässerentwicklung in der Stadt – geht (fast) überall
https://www.umweltbundesamt.de/gewaesserentwicklung-in-der-stadt-geht-fast#renaturierungen-in-stadten-schaffen-lebensqualitat-
strasbourgdeuxrives.eu: Das städtische Projekt
https://strasbourgdeuxrives.eu/de/das-stadtische-projekt/
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