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Potenziale & Maßnahmen für die Klimaanpassung von Städten

Panorama aerial view of apartment garage with full of covered parking, cars and green trees of multi-floor residential buildings in Houston, Texas, US. Urban infrastructure, transportation concept

Versiegelte Böden sind ein zentraler Einflussfaktor auf das Klima in Städten: Sie tragen zu höheren Temperaturen bei und machen Starkregenereignisse noch gefährlicher. Welche Potenziale gibt es, um Flächen zu entsiegeln und die urbanen Landschaften an ein verändertes Klima anzupassen?

Urbane Klimaanpassung durch entsiegelte Flächen


Ludwigshafen Pfalz Luhafen

Bodenversiegelung in Städten – und was sie bedeutet

Wie sich bebaute Flächen auf das städtische Klima auswirken

Die rheinland-pfälzische Stadt Ludwigshafen am Rhein steht an der Spitze einer Liste von 134 deutschen Städten, die der Gesamtverband der Versicherer im Zuge einer Studie untersucht hat. Mit einem Anteil von rund 67 Prozent versiegelter Flächen liegt Ludwigshafen nicht nur vor den übrigen Städten, sondern auch rund 23 Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt von 44 Prozent.

Von der Gesamtfläche, die in Deutschland für Siedlung und Verkehr genutzt wird, sind etwa 45 Prozent versiegelt. Verglichen mit der Gesamtfläche Deutschlands entsprechen diese versiegelten Flächen einem Anteil von 6,53 Prozent. Obwohl gleichzeitig der Flächenverbrauch und die Zunahme versiegelter Flächen für neue Siedlungs- und Verkehrszwecke in den zurückliegenden 20 Jahren deutlich zurückgegangen sind, bleiben diese Werte problematisch.


car in water after heavy rain and flood

Auswirkungen versiegelter urbaner Flächen

Das gilt vor allem für die Städte, in denen Siedlungs- und Verkehrsflächen stark verdichtet sind. Hier ist die Bodenversiegelung sehr viel ausgeprägter als in ländlichen Regionen. Zusammen mit der dichten Bebauung wirken sich die versiegelten Flächen in urbanen Räumen deshalb umso mehr aus und verändern das städtische Mikroklima:

  • Es gibt einen stärkeren Wärmefluss durch den Verkehr und die baulichen Strukturen („Wärmeinsel-Effekt“).
  • Die Bausubstanz von Gebäuden und Verkehrsinfrastruktur verlangsamt gleichzeitig Abkühlungsprozesse.
  • Versiegelte Oberflächen erschweren zudem die Abführung von starken Niederschlägen.


Moderne Appartementgebäude mit Begrünung im Sommer

Lässt sich Bodenversiegelung überhaupt vermeiden?

Die Problematik versiegelter Flächen ist längst bekannt und Konzepte wie die „Schwammstadt“ sollen dabei helfen, die Städte in Zukunft klimaresilienter zu machen. Fläche ist jedoch eine endliche Ressource und gerade in städtischen Ballungszentren ist die Konkurrenz um sie groß. Vor allem der Bedarf an zusätzlichem Wohnraum und die Notwendigkeit zu bauen, stehen häufig im Gegensatz zur erforderlichen Entsiegelung der Böden – die für eine Klimaanpassung ebenfalls notwendig ist.

Die entscheidende Frage lautet daher: Wie können Städte mit bestehender Bodenversiegelung umgehen, um gute Voraussetzungen für lebenswerte Städte zu schaffen – ohne dabei Grundbedürfnisse wie Wohnen und Mobilität zu vernachlässigen?

Für die Städte und Kommunen, insbesondere jene mit einem hohen Anteil versiegelter Oberflächen, geht es darum, Potenziale für Entsiegelungen zu finden und diese sinnvoll zu nutzen. Nachfolgend zeigen wir auf, welchen Nutzen das den Städten bringt und wie das Entsiegeln gelingen kann.


Essen city, Germany

Was mit „Versiegelung“ gemeint ist und wie sie sich auswirkt

Herausforderungen durch unterschiedliche Versiegelungsarten und -grade

Um eine Lösung für das Problem der Bodenversiegelung urbaner Flächen zu finden, braucht es eine differenzierte Betrachtungsweise. Denn es müssen mehrere Formen und Grade der Versiegelung unterschieden werden, um sinnvolle Maßnahmen für eine Entsiegelung ergreifen zu können. Grundsätzlich gilt:

  • Wird offener Boden mit undurchlässigen Schichten (Asphalt, Beton, Pflaster etc.) überdeckt, bebaut oder nachverdichtet, gilt er als versiegelt.
  • Das bedeutet, dass Austauschvorgänge wie Versickerung, Verdunstung, Gasaustausch oder biotische Prozesse verhindert werden.
  • Eine solche Versiegelung betrifft nicht nur die Bodenoberfläche, sondern häufig auch darunterliegende Schichten, etwa durch den Bau von Kellern oder Tiefgaragen.

Weiterhin sind verschiedene Versiegelungsarten zu unterscheiden:


Vollversiegelung Darunter fallen undurchlässige Flächen, die beispielsweise durch Gebäude oder asphaltierte/betonierte Straßen entstehen.
Teilversiegelung Teilversiegelung umfasst

  • teildurchlässige Flächenversiegelungen, z. B. mit Dränasphalt sowie
  • undurchlässige Flächen mit durchlässigen Bereichen, wie es etwa bei Rasengittersteinen oder Gehwegplatten mit offenen Fugen der Fall ist.
Unterflurversiegelung und Verdichtung Unterirdische Bauwerke (Tiefgaragen, Keller, Leitungsschächte etc.) oder durchmischter künstlicher Bodenauftrag im Untergrund zum Zweck der Abdichtung nach unten beeinträchtigen die Böden physikalisch und/oder chemisch und tragen so zu Versiegelung und Verdichtung bei.
indirekte oberirdisch abgeschirmte Flächen ohne Bodenkontakt Einzelne Austauschvorgänge im Boden können selbst dann gestört oder eingeschränkt werden, wenn der Boden noch durchlässig ist. Oberirdische Rohrleitungen, Carports oder Photovoltaik-Systeme erlauben zwar weiterhin den Gasaustausch und biotische Prozesse; für Versickerung und Verdunstung von Niederschlagswasser gilt das aber meist nur noch für Teile der abgeschirmten Fläche.


Versiegelungsgrad

Mit dem Versiegelungsgrad wird der Anteil der vollversiegelten Fläche im Verhältnis zur Gesamtfläche angegeben. Um urbane Räume flächenhaft einordnen zu können, gibt es dabei Abstufungen:

  • mäßige Versiegelung (10-50 Prozent, Ø 30 Prozent),
    Einfamilien- und Zeilenhaussiedlungen, Kleingartengebiete
  • mittlere Versiegelung (45-75 Prozent, Ø 60 Prozent),
    Blockrandbebauung, Nachkriegsbaugebiete
  • starke Versiegelung (70-90 Prozent, Ø 80 Prozent),
    urbane Baugebiete mit Blockbebauung, ältere Industrieanlagen
  • sehr starke Versiegelung (85-100 Prozent, Ø 90 Prozent),
    unzerstörte Blockbaugebiete von Innenstadtbezirken, junge oder in jüngerer Zeit veränderte Industrieflächen

Mögliche Auswirkungen von Versiegelung auf den Boden

Nicht nur bei den Versiegelungsarten, sondern auch bei den möglichen Folgen für den Boden gilt es zu unterscheiden. Die Versiegelung wirkt sich in unterschiedlicher Weise aus. Zu den Veränderungen zählen unter anderem:

  • das Abtragen von humosem Ober- und Unterboden bei der Herstellung des Versiegelungsprofils;
  • die Unterbodenverdichtung für eine erhöhte Tragfähigkeit;
  • Relief- und Profilveränderungen durch Ausgleichs-, Trag-, Frostschichten u. ä.;
  • die Veränderung der Substratzusammensetzung durch den Einsatz standortfremder Substrate (z. B. für Dränbarkeit und Frostsicherheit);
  • Stoffeinträge, die in Folge der Auslaugung von Stoffen in eingebrachten Substraten entstehen;
  • Stoffeinträge aufgrund der Nutzung und des Unterhalts der versiegelten Fläche wie z. B. Tausalze.


Belagsklassen

Versiegelungsmaterialien wirken sich unterschiedlich auf den Naturhaushalt aus. Eingeteilt werden sie anhand der Stärke ihrer Auswirkungen:

  • sehr hoch: Asphalt, Beton, Pflaster mit Fugenverguss oder Betonunterbau, Kunststoffbeläge
  • hoch: Betonverbundpflaster, Klinker, Mittel- und Großpflaster, Kunststein und Plattenbeläge (Kantenlänge > 8 cm)
  • mittel: Klein- und Mosaikpflaster (Kantenlänge < 8 cm)
  • gering: Rasengittersteine, wassergebundene Decken, Schlacke, Kies, Tennenflächen (Sportplätze), Schotterrasen

Ein genauer Blick auf die Versiegelungsart und die jeweils spezifischen Folgen für den Boden ist deshalb so wichtig, weil er maßgeblich für das mögliche Vorgehen bei der Entsiegelung ist. Unter Umständen bewirken die Veränderungen durch die Versiegelung, dass der Boden bestimmte Ökosystemleistungen nicht mehr oder nur verbunden mit hohen Wiederherstellungskosten übernehmen kann.

Um Entsiegelungspotenziale zu ermitteln, muss darüber hinaus der effektive Versiegelungsgrad bestimmt werden. Dieser ergibt sich aus dem Verhältnis der Fläche, die an die Kanalisation angeschlossen ist, zur Gesamtfläche.

Im Zentrum dieser Berechnung und der damit möglichen Modellierungen steht die Überlegung, dass versiegelte, an die Kanalisation angeschlossene Flächen das Niederschlagswasser zunächst aus dem natürlichen Wasserhaushalt ziehen. Vor allem in Innenstädten kann dadurch ein Großteil des Niederschlags für Wasserspeicherung und Verdunstung verloren gehen – was Trockenheit und Hitze begünstigt. Deshalb gehört das Entsiegeln von urbanen Flächen zu den wichtigsten Maßnahmen im Sinne einer Klimaanpassung der Städte.


Workers remove a layer of old asphalt with a jackhammer on an autumn day. Construction work on the road.

Entsiegeln von urbanen Flächen – darum geht es

Natürliche Bodenfunktionen wiederherstellen

Das Entsiegeln von Flächen meint die „vollständige Beseitigung von versiegelnden Sperr- und Deckschichten, Fremdmaterialien und vorhandener Verdichtungen mit einem anschließenden Aufbau standorttypischer Böden mit dem Ziel, die natürlichen Bodenfunktionen möglichst weitgehend wiederherzustellen“ – so fasst das Umweltbundesamt die Quellen zum Entsiegelungs-Konzept zusammen. Ein weiteres Ziel besteht darin, eine durchwurzelbare Bodenschicht herzustellen.

Genau wie bei der Versiegelung müssen auch bei der Entsiegelung verschiedene „Grade“ differenziert werden. Die oben aufgeführte Erläuterung des Umweltbundesamtes etwa bezieht sich auf eine Vollentsiegelung. Damit soll eine vollständige Wiederherstellung der Interaktionen vom natürlichen Untergrund mit Pedosphäre, Atmosphäre und Biosphäre erreicht werden. Dazu gehört ebenfalls ein anschließender Profilaufbau.

Der Berne Park an der Emscher und Rhein-Herne-Kanal in Bottrop im Sonnenuntergang

Entsiegeln im Rahmen der Möglichkeiten

Eine Vollentsiegelung, bei der alle undurchlässigen Schichten entfernt und der verdichtete Boden wieder aufgebaut wird, ist die umfangreichste, wirkungsvollste, aber auch arbeits- und kostenintensivste Herangehensweise. Sie lässt sich zudem nicht überall anwenden. Sie wird vor allem zur Aufwertung von Industrie- und Gewerbebrachen genutzt.

Einschränkungen für eine Vollentsiegelung bestehen beispielsweise in Fällen, in denen die Gefahr einer Verunreinigung oder Vergiftung des Grundwassers besteht: Denn nach dem Entsiegeln kann das Niederschlagswasser wieder versickern. Lassen sich im Zuge einer Entsiegelungsmaßnahme nicht alle potenziell gesundheits- und/oder umweltschädlichen Stoffe restlos entfernen, die zuvor (zwecks Verdichtung, Frostschutz etc.) in den Boden eingebracht wurden, könnten diese mit dem versickernden Niederschlagswasser bis ins Grundwasser gelangen.

In Städten ist eine Vollentsiegelung meist schon wegen der Bebauung und der Verkehrsinfrastruktur nicht durchführbar. In vielen Fällen sind allerdings Teilentsiegelungen möglich.


Möglichkeiten bei der Teilentsiegelung

Maßnahmen zur Teilentsiegelung können in unterschiedlichen Bereichen ansetzen und sich auf verschiedene Schwerpunkte fokussieren:

  • Mit einer Teilflächenentsiegelung soll der Versiegelungsgrad eines urbanen Raums verringert werden.
  • Bei einem Belagswechsel wird die Durchlässigkeit der Bodenoberfläche durch eine Veränderung der Belagsklasse erreicht.
  • Eine funktionale Entsiegelung ist darauf ausgerichtet, den effektiven Versiegelungsgrad zu reduzieren, indem der Abfluss von Niederschlagswasser stärker von der Kanalisation abgekoppelt wird (und somit im natürlichen Wasserhaushalt erhalten
    bleibt).

Teilentsiegelungen im urbanen Raum

Bei einer Teilentsiegelung werden die Profilschichten der Flächenbefestigung (Belag, Tragschicht, Unterbau und Untergrund) nicht vollständig beseitigt. Das hat gerade im urbanen Umfeld wesentliche Vorteile:

  • Die Kosten sind erheblich niedriger als bei Vollentsiegelungsmaßnahmen.
  • Nutzungskonflikte mit den Eigentümern und Nutzern der betreffenden Fläche lassen sich leichter vermeiden
  • Auch mit einer Teilentsiegelung können bereits Verbesserungen im lokalen Wasserhaushalt erreicht und die Voraussetzungen für kleinere Begrünungsmaßnahmen geschaffen werden.

Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, zumindest das Potenzial für eine Teilentsiegelung zu überprüfen, wenn die Gegebenheiten vor Ort umfangreichere Veränderungen nicht zulassen.


Faktoren für die Umsetzung von Entsiegelungen

Ob sich eine Entsiegelung tatsächlich umsetzen lässt, hängt von einer Reihe von Faktoren ab – selbst, wenn die Potenziale bereits ermittelt sind. Relevante Kriterien sind

  • Flächennutzungstyp und Nutzungsintensität,
  • Lage und Größe der entsprechenden Fläche,
  • Eigentumsverhältnisse und Flächenverfügbarkeit,
  • Technischer Aufwand und Kostenaspekte,
  • Nutzenaspekte der Entsiegelung und gesamtökonomische Bewertung der Maßnahme,
  • politische und gesellschaftliche Aspekte von Entsiegelungsmaßnahmen.

Diese Kriterien sind für die Bewertung, Priorisierung und Planung wichtig, weil sie dabei helfen, mögliche Zielkonflikte (gerade im Hinblick auf Eigentumsverhältnisse) schon im Vorfeld zu thematisieren und anzugehen.

Nachteile von Teilentsiegelungen: Kompromisse beim Effekt

Auch wenn es in städtischen Ballungsgebieten vielfach gute Gründe gibt, auf eine Teilentsiegelung zu setzen, so birgt dieses Vorgehen dennoch einige Nachteile. Da die Profilschichten der Flächenbefestigung nur teilweise entfernt werden und somit ein oft nicht unerheblicher Anteil im Boden verbleibt, kann die Funktionalität des Bodens nur bedingt wiederhergestellt werden.

Das kann etwa bedeuten, dass die entsiegelte Fläche wieder für eine Versickerung von Niederschlagswasser geeignet ist, eine Durchwurzelung aber nach wie vor nicht erlaubt. Bei Teilentsiegelungen müssen daher meist Kompromisse gemacht werden – um die Maßnahmen optimal an lokale Voraussetzungen, vorhandene Potenziale, mögliche Hindernisse und die zu erwartenden Kosten anpassen zu können.


Die positiven Effekte von Flächenentsiegelungen

Welche Wirkungen zu erwarten sind – und was klimaangepasste Städte tun müssen

Um in den Städten mehr Klimaresilienz zu erreichen, lohnt sich der Aufwand für Entsiegelungen trotzdem. Denn die positiven Effekte reichen weit über das bessere Versickern von Regenwasser hinaus. Eine Stadt profitiert auf vielfältige Weise davon, wenn weniger Flächen vollständig versiegelt sind:


Besseres Stadtklima Entsiegelte Flächen nehmen nicht nur Regenwasser auf, sondern können ebenfalls mehr Feuchtigkeit durch Verdunstung an die Umgebung abgeben. Das sorgt für einen Kühleffekt, mit dem sich Wärmeinseln, Hitzestress und trockene Luft vermeiden lassen. Diese Wirkung wird noch verstärkt, da sich nicht versiegelte und begrünte Flächen sehr viel weniger aufheizen als Oberflächen aus Asphalt, Beton oder Pflaster. Anstelle von Wärmeinseln können sogenannte Klimainseln in den Städten geschaffen werden, die für Abkühlung und mehr Aufenthaltsqualität sorgen.
Bessere Bedingungen für Stadtgrün Ein wesentlicher Faktor für Klimaresilienz und Lebensqualität in den Städten ist das Stadtgrün. In stark versiegelten Umgebungen können Bäume und andere Begrünung ihre positive Wirkung aber nur eingeschränkt entfalten, zudem sorgt das zu warme Stadtklima für eine vorzeitige Alterung. Entsiegelte Flächen, vor allem im Bereich der Baumscheiben, bieten Stadtbäumen sehr viel bessere Lebensbedingungen – und verringern für die Kommunen gleichzeitig den Aufwand für die Bewässerung in den warmen Monaten des Jahres.
Neue Grundwasserreserven Durch einen hohen effektiven Versiegelungsgrad gelangt nur ein Bruchteil des Regenwassers wieder zurück in den natürlichen Wasserkreislauf und fehlt damit dem Grundwasser – und somit vielerorts für die Bereitstellung von Trinkwasser. Berlin etwa gewinnt rund ein Drittel des Trinkwassers für die Stadt aus Grundwasserbeständen. Wenn Regenwasser besser versickern kann, sichert das auch die Trinkwasserversorgung.
Entlastete Kanalisation Starkregenereignisse stellen die städtische Kanalisation vor große Herausforderungen. In besonders heftigen Fällen kann es zu Überlastungen von Kanalsystemen, Pump- und Klärwerken kommen, die die Wassermassen nicht schnell genug abführen können. Überflutete Straßen und Keller sind dann oft die Folge. Zudem kann aus innerstädtischen Mischwasserkanalisationen Schmutzwasser in andere Gewässer gelangen.

Wenn ausreichend Flächen entsiegelt werden, können die Böden mehr Regenwasser aufnehmen und die Kanalisation dadurch entlasten. Hier lassen sich Kosten für Instandsetzungen nach Starkregenereignissen durch Investitionen in funktionierende Böden vermeiden.

Mehr Lebensqualität Entsiegelungen bedeuten nicht nur mehr Qualität für den Boden: Sie erhöhen in vielerlei Hinsicht die Qualität. Ist der vormals versiegelte Boden wieder aufgebaut, kann er Schadstoffe filtern, CO2 speichern und Pflanzen und Tieren bessere Lebensbedingungen bieten. Das fördert die biologische Vielfalt und trägt zusätzlich dazu bei, dass Mikroorganismen und Pflanzen die Bodenqualität weiter verbessern.

Neben Flora und Fauna kommen die entsiegelten Flächen zudem den Menschen zugute. Da selbst Teilentsiegelungen Möglichkeiten für Begrünungen und attraktive Umgestaltungen eröffnen, gewinnen die urbanen Räume im Zuge von Entsiegelungsmaßnahmen an Freiraum- und Aufenthaltsqualität.


Grünanlage Arbeit mit kleinem Bagger

Welche Arbeiten sind für eine Entsiegelung notwendig?

Damit entsiegelte urbane Flächen tatsächlich die oben aufgeführten Vorteile für die Stadt und ihre Bewohner bringen können, sind je nach Umfang der geplanten Maßnahmen eine Reihe von Arbeiten notwendig. Zu den anfallenden Aufgaben gehören:

  • Ab- und Aufbruch der versiegelten Flächen,
  • Abbau und Entfernung der Versiegelungsschichten, gegebenenfalls auch eine Beseitigung von schadstoffbelasteten Böden,
  • Abtransport und fachgerechte Entsorgung der eingebrachten Stoffe,
  • Bodenauftrag und -einbau, dazu Bodenlockerung.

Soll eine Vollentsiegelung vorgenommen werden, zählt das Herstellen eines Bodenprofils zum Aufgabenkatalog. In der Regel bilden Begrünungen und Renaturierung mit Ansaaten und Anpflanzungen den Abschluss der Arbeiten. Bei Teilentsiegelungen bleibt es hingegen meist dabei, teildurchlässige Bodenbeläge zu verlegen oder andere Abkopplungsmaßnahmen für Niederschlagswasser vorzunehmen.


tram tracks in downtown berlin

Klimaanpassung in deutschen Städten läuft

In vielen deutschen Städten sind Klimaanpassung und Flächenentsiegelung längst ein Thema. In Kassel beispielsweise gehört der Abbau versiegelter Flächen genauso wie die Renaturierung von Bachläufen oder Fassaden- und Dachbegrünungen zum städtebaulichen Entwicklungskonzept. Andere Städte, wie etwa Berlin, begrünen S-Bahn-Gleise – Möglichkeiten zur Entsiegelung gibt es viele.

In Heidenheim wurde das ursprünglich stark industriell genutzte Areal der Brenz-Auen im Norden der Stadt zu einem attraktiven Familienpark umgestaltet, der den Bewohnern wieder die Möglichkeit gibt, den Fluss zu erleben. Ähnlich verfuhr die Stadt Backnang, wo das Ufer der Murr von einer Industriebrache zu zwei neuen Quartieren umstrukturiert wurde. Dadurch entstand zugleich eine grüne Zone in der Stadtlandschaft.

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass das Entsiegeln von urbanen Flächen nicht zwangsläufig bedeutet, dass wichtige Nutzungen (Wohnen, Gewerbe, Verkehr etc.) „zurückstecken“ müssen. Mit durchdachten Entwicklungskonzepten lassen sich Klimaanpassungen hervorragend in die Stadtgestaltung einbinden – im Großen wie im Kleinen.

Quellen:
Giersch. Magazin für Stadtraum und Natur: Entsiegelt unsere Städte!
https://gierschmagazin.de/2021/10/21/entsiegelt-unsere-staedte/

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND): Hitze, Trockenheit, versiegelte Städte: BUND fordert gesundes Stadtklima für alle
https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/hitze-trockenheit-versiegelte-staedte-bund-fordert-gesundes-stadtklima-fuer-alle/

Stadt Göttingen: Entsiegelung
https://nachhaltigkeit.goettingen.de/portal/seiten/entsiegelung-900001139-25480.html

Berliner Regenwasseragentur: Entsiegelung
https://regenwasseragentur.berlin/massnahmen/entsiegelung-von-flaechen-in-berlin/#section-kosten

Umweltbundesamt: Bessere Nutzung von Entsiegelungspotenzialen zur Wiederherstellung von Bodenfunktionen und zur Klimaanpassung (Abschlussbericht)
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_141-2021_bessere_nutzung_von_entsiegelungspotenzialen_zur_wiederherstellung_von_bodenfunktionen_und_zur_klimaanpassung.pdf

Umweltbundesamt: Bodenversiegelung
https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/boden/bodenversiegelung#was-ist-bodenversiegelung

Umweltbundesamt: Siedlungs- und Verkehrsfläche
https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/siedlungs-verkehrsflaeche#anhaltender-flachenverbrauch-fur-siedlungs-und-verkehrszwecke-

Gesamtverband der Versicherer (GDV): Versiegelungsstudie: Ludwigshafen ist die am stärksten versiegelte Stadt in Deutschland
https://www.gdv.de/gdv/medien/medieninformationen/versiegelungsstudie-ludwigshafen-ist-die-am-staerksten-versiegelte-stadt-in-deutschland–133126

Klimareporter: Entsiegelung nicht nur bei Schottergärten
https://www.klimareporter.de/gebaeude/entsiegelung-nicht-nur-bei-den-schottergaerten

ARD alpha: Städtebau der Zukunft. Hilft die Schwammstadt gegen Hochwasser?
https://www.ardalpha.de/wissen/umwelt/klima/schwammstadt-klimawandel-regenwasser-104.html

Technische Universität Berlin: „Jeder Neubau muss durch Entsiegelung eines Parkplatzes kompensiert werden“
https://www.tu.berlin/themen/klimaschutz/klimastadt-berlin-2030

VCÖ: Verstärkte Klimawandel-Anpassung in Städten nötig
https://vcoe.at/publikationen/vcoe-factsheets/detail/verstaerkte-klimawandel-anpassung-in-staedten-noetig

Süddeutsche Zeitung: Wie hessische Städte sich auf die Klimakrise vorbereiten
https://www.sueddeutsche.de/wissen/klima-frankfurt-am-main-wie-hessische-staedte-sich-auf-die-klimakrise-vorbereiten-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230730-99-605811

Baukultur Baden-Württemberg: Entsiegelung
https://www.baukultur-bw.de/aktiv/stichworte/umwelt/entsiegelung

Baden-Württemberg.de: Land fördert Klimaanpassung in Städten
https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/land-foerdert-klimaanpassung-in-staedten

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