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Mehr InformationenPrimärrohstoffe werden knapp, gleichzeitig steigt der Bedarf an ihnen weiterhin an. Um natürliche Rohstoffvorkommen zu entlasten, richtet sich etwa der Blick der Baubranche zunehmend auf andere „Lagerstätten“: Wertvolle Sekundärrohstoffe sind in großen Mengen in Gebäuden, Infrastruktur, Haustechnik etc. gebunden – und warten vielfach auf ihre Wiederverwertung. Genau dort setzt Urban Mining an.
Rund 340 Tonnen Material pro Kopf – auf diese Zahl kam das Umweltbundesamt bereits 2017 bei Untersuchungen zum Umfang des anthropogenen Lagers in Deutschland. Der Begriff „anthropogenes Lager“ bezeichnet den von Menschen erschaffenen Bestand an Materialien. Dazu zählen langlebige Gütergruppen wie Gebäude, leitungsgebundene Infrastrukturen, Haustechnik und langlebige Kapital- und Konsumgüter.
Tatsächlich ist das anthropogene Lager global betrachtet inzwischen so angewachsen, dass es für bestimmte Rohstoffe eine bedeutendere Quelle als die ursprünglichen geologischen Vorkommen geworden ist. Das gilt beispielsweise für Kupfer.
Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass das anthropogene Lager durch die fortschreitende Rohstoffgewinnung aus den geologischen Vorräten und die Verwendung der Materialien in Häusern, Straßen, Autos, Smartphones etc. weiter anwächst.
Für eine genauere Erfassung und Kartierung des anthropogenen Lagers werden differenziertere Unterteilungen der verschiedenen Sektoren vorgenommen. Unterschieden werden in diesem Zusammenhang
Dadurch steigt zugleich seine Bedeutung als Quelle für Rohstoffe – insbesondere im Hinblick auf drei Aspekte:
All diese Entwicklungen sprechen dafür, das anthropogene Lager stärker für die Rückgewinnung wichtiger Materialien zu nutzen. Genau an diesem Punkt setzt Urban Mining an.
Übersetzt bedeutet „Urban Mining“ etwa so viel wie „Bergbau in der Stadt“. Im Kern geht es um die Überlegung, dass noch verwendete Baustoffe in Zukunft als Sekundärrohstoffe genutzt werden können. Dabei wird der Begriff „Baustoff“ möglichst breit definiert, wie sich anhand der Gütergruppen-Klassifizierungen für das anthropogene Lager (siehe oben) bereits erkennen lässt.
Denn auch wenn Hoch- und Tiefbau einen Großteil der Baumaterialien binden, sind wertvolle Rohstoffe in sehr unterschiedlicher Form in den Städten „gelagert“: So hat der Digitalverband Bitkom errechnet, dass in Deutschland über 200 Millionen alte Handys ungenutzt in Schubladen liegen. Dabei sind die Mobiltelefone wichtige Quellen für Metalle. Laut Umweltbundesamt entspricht der Goldanteil eines durchschnittlichen Handys dem von 16 kg Golderz.
Das Urban Mining-Konzept hat in den vergangenen Jahren mehr Aufmerksamkeit gewonnen, weil Nachhaltigkeit, ein verantwortungsvollerer Umgang mit Ressourcen und das Recycling nicht zuletzt vor dem Hintergrund knapper werdender Rohstoffe stärker in den Fokus gerückt sind. Allerdings ist die Idee, wertvolle Materialien aus Elektroschrott oder Bauschutt zu gewinnen, nicht neu.
Im Unterschied zu etablierteren Recyclingstrategien der Abfallwirtschaft fasst das Urban Mining die Betrachtungsperspektive aber deutlich weiter: Urban Mining dreht sich nicht allein um das klassische Recyceln von Abfällen. Das Konzept begreift vielmehr den gesamten, von Menschen geschaffenen Lebensraum als potenzielle Rohstoffquelle – selbst, wenn die gebundenen Materialien erst in der Zukunft als Sekundärrohstoffe zur Verfügung stehen.
Beim Urban Mining geht es deshalb darum, auf der Grundlage von qualitativen und quantitativen Analysen der gebundenen Materialien frühzeitige Prognosen zu Stoffströmen zu treffen und Verwertungsmöglichkeiten zu erkennen. Dies geschieht, bevor die betreffenden Materialien zu Abfällen werden.
Aufgrund der weiteren Betrachtungsgrenze im Vergleich zur Abfallwirtschaft ist für das Urban Mining mehr erforderlich als das Sortieren der potenziellen Sekundärrohstoffe. Um belastbare Prognosen bezüglich zukünftiger Stoffströme abgeben zu können, müssen schon vor dem „Abbau“ und der Wiederverwertung entsprechende Auswertungen bzw. Kartierungen der Rohstoffe im anthropogenen Lager durchgeführt und dokumentiert werden.
Als umfassendes, ganzheitliches Bewirtschaftungssystem umfasst Urban Mining deshalb verschiedene Prozesse. Dazu gehören
Durch die Digitalisierung stehen heute hilfreiche Instrumente zur Verfügung, mit denen sich Produktion, Konsum und Wiederverwertung besser verknüpfen lassen. Ein solches Tool ist beispielsweise das Building Information Modeling-Konzept.
Es dient dazu, umfassende Bauwerksinformationen digital und über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg bereitzustellen. Ein wichtiger Bestandteil dieser Informationen sind detaillierte Materialkataster, in denen die verwendeten Baustoffe inklusive Mengenangaben hinterlegt sind.
Solche Kataster helfen nicht nur bei der Realisierung des Bauwerks, sondern liefern zugleich wertvolle Informationen für einen zukünftigen Rückbau und die Recyclingmöglichkeiten. Damit arbeitet das BIM dem Urban Mining gewissermaßen zu.
Die Schwierigkeit beim Abbau urbaner Rohstoffe besteht darin, die Menge und Qualität zu erfassen. Um einen Beitrag zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft und zur Ressourcenschonung leisten zu können, braucht es verlässliche Informationen zur Zusammensetzung der langlebigen Materialien.
Schließlich geht es auch um die Frage, wie und wann die gebundenen Rohstoffe auf dem Markt verfügbar gemacht werden können. Nur mit verlässlichen Angaben haben die Abnehmer der Sekundärressourcen Planungssicherheit für ihre eigenen Aufgaben. Bei neueren Bauvorhaben kommen unter anderem aus diesem Grund digitale Technologien wie das Building Information Modeling (BIM) zum Einsatz, die auch für das Urban Mining von Nutzen sind.
An der Bergischen Universität Wuppertal hat Prof. Dr. Anja Rosen in Zusammenarbeit mit Prof. Annette Hillebrandt ein Planungsinstrument entwickelt, das schon in der Neubauplanung die Nachnutzungsfähigkeit der eingesetzten Baustoffe berücksichtigt.
Materialkataster und Recyclingmarktplätze
Als Rohstofflieferanten für das zirkuläre Bauen gewinnen Plattformen, Marktplätze und Baustoffbörsen für Recycling-Baustoffe immer mehr an Bedeutung und sind damit auch ein wichtiger Beitrag im Rahmen des Urban Mining-Konzepts. In Europa gehört etwa die tschechische Online-Plattform „Cyrkl“ zu den größten Re-Use-Marktplätzen, mit rund 17.500 Unternehmen, die hier einkaufen und verkaufen.
In den Niederlanden wurde bereits 2017 mit „Madaster“ eine Plattform ins Leben gerufen, die ein Materialkataster für Gebäude erstellt und den Gebäudeeigentümern gleichzeitig Verknüpfungen zu Rohstoffbörsen bereitstellt. Madaster richtet sich damit an Eigentümer, Projektentwickler, Architekten, Baustoffhersteller, Städte, Kommunen und Recyclingunternehmen.
Der sogenannte „Urban Mining Index“ (UMI) liefert eine Systematik, mit der die Kreislaufkonsistenz von Baukonstruktionen und Gebäuden bei der Neuplanung gemessen und bewertet werden kann. Zunächst werden die Bauteile, Bauelemente und Bauteilschichten von Bauwerken erfasst. Danach folgen die Einordnung und Bewertung der Materialien:
Die Qualitätsstufen werden unterschiedlich gewichtet. Diesbezüglich ohne Verlust wiederverwendbare und recycelbare Materialien schneiden dabei besser ab als Materialien, die nur unter Qualitätseinbußen in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können.
Um die Kreislauffähigkeit der Materialien beurteilen zu können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
Diese beiden Faktoren wirken sich erheblich auf die Wirtschaftlichkeit eines Rückbaus aus, weil sie den Restwert des Materials und den Aufwand für die sortenreine Rückgewinnung beeinflussen. Für das Ziel des nachhaltigen zirkulären Bauens ist es unerlässlich, diesen Aufwand durch die Planung des Bauwerks so gering wie möglich zu halten. Mit der Systematik hinter dem Urban Mining Index können Architekten und Bauingenieure ihre Entwürfe frühzeitig dahingehend abstimmen.
Auf der Basis quantitativer und qualitativer Analysen während der Planungsphase ist damit ein Urban Mining Design möglich: eine rückbau- und kreislauffähige Planung, bei der alle Lebenszyklusphasen vom Entwurf bis zur Demontage und Wiederverwendung bereits mitgedacht werden.
Nachhaltige Lösungen im Sinne eines geschlossenen Wertstoffkreislaufs betreffen nicht allein den Hochbau. Städte und Kommunen können in vielen Bereichen wichtige Impulse für eine zirkuläre Bewirtschaftung der urbanen Ressourcenlager geben.
Das gilt zum Beispiel auch für das Stadtmobiliar: Die Absperrpfosten von ABES im Aluminiumgussverfahren sparen schon in der Herstellung Ressourcen, da sie zu rund 95 Prozent aus recycelbaren Rohstoffen gefertigt werden. Gleichzeitig lassen sich die fertigen Pfosten nahezu vollständig wieder dem Wertstoffkreislauf zuführen.
In der Praxis bedeutet Urban Mining nach wie vor einige Herausforderungen. Der Aufwand bei der Trennung von verbauten Materialien ist häufig hoch, weil ein späterer Rück- oder Abbau bei der Planung von älteren Bauwerken noch keine Rolle spielte. Dazu kommen mitunter toxische Substanzen, die erst beseitigt werden müssen, sowie viele gesetzliche Vorgaben für die Wiederverwendung von Sekundärrohstoffen.
Dennoch birgt das Konzept ein großes Potenzial, um Ressourcen zu schonen, CO2-Emissionen zu reduzieren oder das Abfallaufkommen zu verringern. Aus diesen Gründen testen nicht nur Forschungsprojekte wie die Baueinheit „Urban Mining & Recycling“ des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Zusammenarbeit mit dem auf nachhaltige Architektur spezialisierten Büro Werner Sobek die Möglichkeiten von Urban Mining aus. Vielmehr gehen immer mehr Städte und Kommunen dazu über, das Konzept in ihre Stadtentwicklungsstrategien zu integrieren.
Die Stadt Heidelberg hat ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, um ein digitales Gebäude-Materialkataster für den Bestand in der gesamten Stadt anzulegen – als erste Stadt in Europa überhaupt. Die ersten Daten wurden bereits erhoben und die Bebauung der Patrick-Henry-Village erfasst. Das Wohnquartier entstand in den 1950er Jahren als Armeesiedlung für Angehörige des US-Militärs in der Region und wird aktuell zur „Wissensstadt der Zukunft“ weiterentwickelt.
Im Rahmen des Projekts werden allgemeine Parameter wie Baujahr, Kubatur oder Nutzungsart der Gebäude berücksichtigt, auf deren Basis dann Annahmen zur jeweiligen Materialzusammensetzung gemacht werden.
In Wien wird schon seit längerer Zeit mit dem Urban Mining-Konzept experimentiert. Ende 2017 entwickelte das Christian-Doppler-Labor für anthropogene Ressourcen zusammen mit der TU Wien einen digitalen Katalog der Gebäude des städtischen Verkehrsbetriebs (Wiener Linien). Der Kataster soll zukünftig genutzt werden, um Abfallwirtschaftskonzepte für Gebäude und Infrastruktur der Wiener Linien zu erarbeiten.
In Zukunft wird Urban Mining aufgrund der wachsenden anthropogenen Rohstofflager in den Städten noch wichtiger werden. Digitale Technologien wie BIM helfen dann dabei, den Aufwand für die Wiedergewinnung wertvoller Materialien noch einfacher zu machen.
Quellen:
Umweltbundesamt: Urban Mining
https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/abfallwirtschaft/urban-mining#strategie-zur-kreislaufwirtschaft-
Umweltbundesamt: Urban Mining. Ressourcenschonung im Anthropozän
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1968/publikationen/uba_broschuere_urbanmining_rz_screen_0.pdf
Deutsches Architektenblatt (DAB): Urban Mining: Materialkataster für Gebäude
https://www.dabonline.de/2022/11/29/urban-mining-madaster-materialkataster-gebaeude-cradle-to-cradle-recycling/
Deutsches Architektenblatt (DAB): Urban Mining: Gebäude als Ressource
https://www.dabonline.de/2022/10/25/urban-mining-gebaeude-als-ressource/
Gebäudeforum Klimaneutral: Urban Mining: Recycling-Marktplätze für kreislaufgerechtes Bauen
https://www.gebaeudeforum.de/service/newsletter/ausgabe-10/2022/urban-mining/
Gebäudeforum Klimaneutral: Marktplätze für Recycling-Baustoffe und gebrauchte Bauteile
https://www.gebaeudeforum.de/wissen/nachhaltiges-bauen-und-sanieren/zirkulaeres-bauen/recycling-marktplaetze/
Gebäudeforum Klimaneutral: Urban Mining Index
https://www.gebaeudeforum.de/wissen/digitale-methoden-und-tools/urban-mining-index/
urban-mining-index.de: Das ist der Urban Mining Index
https://urban-mining-index.de
Öko-Institut e. V. – Institut für angewandte Ökologie: Zivilisationsgold: Erstmals Potenzial fürs Urban Mining bis 2040 kartiert
https://www.oeko.de/blog/zivilisationsgold-erstmals-potenzial-fuers-urban-mining-bis-2040-kartiert/
Stadt Heidelberg: Bergbau in der Stadt: Heidelberg wird Europas erste kreislauffähige Kommune
https://www.heidelberg.de/hd/HD/service/23_06_2022+bergbau+in+der+stadt_+heidelberg+wird+europas+erste+kreislauffaehige+kommune.html
Karlsruher Institut für Technologie (KIT): Urban Mining: Wohnen im Rohstoff- und Recyclinglager
https://www.kit.edu/kit/pi_2018_079_urban-mining-wohnen-im-rohstoff-und-recyclinglager.php
Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.: Urban Mining für eine zirkuläre Wirtschaft. Wie hoch sind die Rohstoffpotenziale durch Urban Mining?
https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/PDF/2023/IW-Report_2023-Urban-Mining.pdf
Wiener Stadtwerke: Urban Mining
https://www.wienerstadtwerke.at/urban-mining
Vogdt, Frank U./Schenk, Anke/Koc, Altunay: Urban Mining. Leitfaden zur Vermeidung nicht recyclingfähiger Bauabfälle bei künftigen kommunalen Hochbauvorhaben
https://www.irbnet.de/daten/rswb/19099002783.pdf
Competitiononline: Urban Mining Index. Ein Planungstool für zirkuläres Bauen
https://www.competitionline.com/de/news/schwerpunkt/ein-planungstool-fuer-zirkulaeres-bauen-3401.html
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