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Mehr InformationenRegional geprägte Baukultur ist häufig ein wesentlicher Faktor für einen touristisch attraktiven Ort. Sie ist Alleinstellungsmerkmal und identitätsstiftend, sie trägt außerdem zur überregionalen Wirkung bei. Doch nicht immer gehen baukulturelle und touristische Interessen Hand in Hand. Dabei gibt es gute Beispiele, wie der engere Zusammenschluss funktionieren und vor allem ländliche Regionen stärken kann.
„Der Begriff Baukultur umfasst die Summe aller menschlichen Tätigkeiten, die unsere gebaute Umwelt verändern. Er betrifft die architektonische, die funktionale und die konstruktive Gestaltung von Gebäuden, den Städte- und Siedlungsbau, die Formung von Landschaften, Infrastrukturen und öffentlichen Räumen. Baukultur ist auch Prozesskultur und betrifft damit ebenso den Weg, der zu einem ‚guten Ergebnis‘ führt sowie Untersuchungen und Verhandlungen zur Gestalt der gebauten Umwelt.“
aus: Bundesstiftung Baukultur – Kodex für Baukultur
Ob es die Backsteinhäuser in Norddeutschland oder die Fachwerkhäuser des Schwarzwalds sind: Jede Region hat im Laufe der Zeit ihre ganz eigene Baukultur hervorgebracht, die das Bild der Städte, Dörfer und Landschaften entscheidend prägt. Meist sogar so sehr, dass sie ein elementarer Bestandteil des touristischen Erlebnisses ist. Besucher kommen auch wegen der einzigartigen Baukultur, weil diese den Gesamteindruck erst vollkommen macht.
Typische Urlaubsregionen wissen um diese Wirkung und schaffen daher eine enge Verbindung von Baukultur und Tourismus. Auf dem Land bleiben diese touristischen und damit wirtschaftlichen Potenziale jedoch vielfach ungenutzt. Dabei liegt hierin ein durchaus relevanter Faktor für die Entwicklung ländlicher Räume.
Aus diesem Grund hat sich ein Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Kooperation von Baukultur und Tourismus auf dem Land gestärkt werden kann. Das Projekt knüpfte an frühere Untersuchungen an, die sich bereits mit regionaler Baukultur und Tourismus befasst hatten.
Auftraggeber der dazugehörigen Studie war neben dem BBSR auch das damalige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Die Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2015 hatten gezeigt: Die Erfolgsaussichten für eine engere Zusammenarbeit, die auch nachhaltig und langfristig Impulse geben kann, sind gut.
Die Modellvorhaben des neueren Forschungsprojekts knüpften daran an, um die Resultate auf die Praxis zu übertragen. Dabei ging es unter anderem darum, geeignete Instrumente zu finden und die beteiligten Akteure besser miteinander zu vernetzen.
Die Bedeutung der Modellvorhaben wird noch deutlicher bei einem Blick auf die doppelte Funktion einer Zusammenarbeit von Baukultur und Tourismus:
Eine bessere Zusammenarbeit hilft also in beiden Richtungen und ist gerade für ländliche Regionen eine hervorragende Möglichkeit, um positive Entwicklungen anzustoßen. Im Idealfall wird durch die Förderung der regionalen Baukultur eben nicht allein die Grundlage für den Tourismus geschaffen, sondern gleichzeitig Verbesserungen der Lebensqualität für die Bewohner erreicht.
Baukulturschaffende und Touristiker haben mitunter sehr verschiedene Blickwinkel auf das Thema Architektur und folgen unterschiedlichen Intentionen. Beispielsweise haben die beiden Akteursgruppen oft einen unterschiedlichen Fokus, wenn es um das Erscheinungsbild von Architektur oder um die Bedürfnisse von Touristen geht.
Dadurch kann es zu Kommunikationsproblemen kommen, obwohl es potenzielle Überschneidungen gibt – wichtige gemeinsame Ziele, die sowohl für Städtebau, Architektur als auch Tourismus Relevanz besitzen. Das BBSR nennt in diesem Zusammenhang etwa Qualitäten wie Unverwechselbarkeit, Authentizität, das Anknüpfen an regionaltypische Bauformen oder die Nutzung regionaler Rohstoffe.
Die Studien und Forschungsprojekte des BBSR zielten deshalb darauf ab, Mittel und Wege zu finden, um eine solide Grundlage für die Kooperation zu schaffen.
Regionen und Modellvorhaben im Forschungsfeld „Baukultur und Tourismus – Kooperation in der Region“
Dem ersten Projektaufruf im Frühsommer 2016 folgten 72 Regionen mit einer Bewerbung, wovon schließlich sieben als Modellvorhaben (MV) ausgewählt wurden. Dazu gehören:
Die Zielsetzungen für das partnerschaftliche Miteinander in den Modellvorhaben lauteten:
Aus den zahlreichen Bewerbungen wurden sieben Modellvorhaben ausgewählt, in denen über einen Zeitraum von drei Jahren die Kooperation von Baukultur und Tourismus vorangetrieben werden sollte.
Alle Modellvorhaben wurden während der gesamten Projektdauer wissenschaftlich begleitet, um einen durchgängigen Wissenstransfer und eine regelmäßige Evaluation der Fortschritte zu gewährleisten. Insgesamt kommt der BBSR zu einem positiven Fazit, trotz der sehr verschiedenen Voraussetzungen, Ansätze und Lösungen der einzelnen Modellvorhaben.
Wir stellen eine kleine Auswahl an Beispielen vor, die den Erfolg und die Möglichkeiten der Kooperation von Baukultur und Tourismus belegen.
Die Baukultur in der Elbe-Weser-Region ist geprägt von ihren Backsteinbauten. Vom Bauernhaus bis zum Schloss gibt es hier keinen Gebäudetyp, der nicht aus den markanten roten Ziegeln gebaut ist.
Den Backstein als verbindendes Element zu nehmen und daraus ein regional-touristisches Konzept zu entwickeln, war die Idee hinter der „Spur der Steine“: Entdeckertouren durch die Region, auf denen Besucher wie Bewohner in lebendigen Formaten über die Backstein-Kultur bis zur heutigen Architektur informiert werden.
Trotz des großen Potenzials von Idee und vielfältigem baukulturellem Bestand erwies sich die Umsetzung als schwierig. Fehlende Ressourcen, erhebliche Unterschiede innerhalb der Region mit ländlichen und städtischen Zielen an der Küste und im Hinterland, die Integration des Konzepts in die Strategien mehrerer Tourismusverbände und einige Themen mehr erschwerten die Umsetzung.
Hinzu kam das oben bereits angesprochene Problem des fehlenden Verständnisses für Arbeitsweisen und Schwerpunkte der jeweils anderen Akteursgruppe. Die Vertreter aus Baukultur und Tourismus mussten sich erst annähern.
Im Verlauf des Modellvorhabens wurden deshalb viele Ansätze wieder verworfen. Um der Vielfalt der Interessen und der Region gerecht zu werden, entstand schlussendlich eine Datenbank. Sie fasst bislang mehr als 150 Objekte zusammen und bietet umfassende Informationen, die sich auch in andere Webseiten (etwa der Tourismusverbände) einbinden lassen.
Die Architekturobjekte aus Backstein bilden so wie anfangs geplant das verbindende Element. Anstelle einer einzigen Entdeckertour können alle beteiligten regionalen Akteure die Datenbank aber nutzen, um individuelle Angebote für die Besucher zu schaffen. Auf diese Weise konnte die „Spur der Steine“ Baukultur und Tourismus dennoch erfolgreich miteinander verknüpfen.
Mecklenburgs Tourismus basiert hauptsächlich auf seinen landschaftlichen Vorzügen: Als eine der größten Wassersportregionen in Mitteleuropa und beliebtes Wanderziel ist die Natur der wichtigste touristische Anziehungspunkt.
Entsprechend ist das Verhältnis bei den Reiseanlässen ausgeprägt, der für einen Großteil der Gäste in Aktivitäten in der Natur besteht. (Bau-)Kultur hingegen macht nur einen sehr geringen Anteil aus. Dabei ist ein geschichtsträchtiges baukulturelles Erbe durchaus vorhanden. Backsteingotik, barocke Schlossanlagen und enge Verknüpfungen des einstigen Großherzogtums mit mehreren europäischen Monarchien ziehen jedoch nur ein kleines Publikum an – und sind für jüngere Zielgruppen oft uninteressant.
Als übergreifendes, langfristiges Ziel und Basis der Zusammenarbeit stand der nachhaltige Qualitätstourismus fest. Darin sollten Geschichte und Baukultur eine stärkere Rolle spielen, um der Region über den gemeinsamen Naturraum hinaus eine vielfältigere Identität zu geben.
Mit Hilfe einer Potenzialevaluierung (SWOT-Analyse) wurden in einem ersten Schritt die Voraussetzungen für eine Kooperation von Baukultur und Tourismus erarbeitet. Dadurch konnten wichtige Fragen zu den beiden Teildisziplinen, ihren möglichen Anknüpfungspunkten und zur bisherigen und zukünftigen Rolle von Baukultur geklärt werden.
Im Kern wurden drei Schwerpunkte ausgearbeitet: Baukultur & Essen, Bauen & Kulturlandschaft sowie Baukultur & Großherzogtum mit einem Fokus auf das frühere höfische Leben. Zentral für das MV Mecklenburg-Strelitz ist und bleibt jedoch, die regionale Baukultur im Kontext des Naturraums zu vermarkten. Vor allem für den ländlichen Raum ist das ein entscheidender Faktor, da Baukultur hier meist eine geringere Anziehungskraft besitzt.
Mit den Schwerpunktthemen konnte jedoch eine große Zahl interessanter Architekturobjekte in das touristische Angebot eingebunden werden. Dass viele historische Gebäude mittlerweile eine – für den Tourismus oft nutzbare – Umnutzung erfahren haben, hat zusätzlich zur erfolgreichen Umsetzung beigetragen.
Quellen:
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR): Baukultur und Tourismus. Unterwegs zu neuen Partnerschaften
https://d-nb.info/1218470798/34
BBSR: Forschungsassistenz „Baukultur und Tourismus – Kooperation in der Region“ (Endbericht)
https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/exwost/Forschungsfelder/2016/baukultur-tourismus/downloads/endbericht.pdf;jsessionid=F87D5D5E3B8CB0F19982FD13699218FD.live21302?__blob=publicationFile&v=1
Stiftung BauKulturerbe: Baukultur – regional und zeitgemäß
https://stiftung-baukulturerbe.de/baukultur-regional-und-zeitgemaess
Plattform Baukulturpolitik: Wozu Baukultur? Nachhaltiger Tourismus als Chance für das Gelingen von Baukultur!
https://www.baukulturpolitik.at/nachhaltigen-tourismus.html
Bundesamt für Kultur (BAK) der Schweiz: Inputpapier Baukultur – Landschaft – Tourismus (Download)
https://www.bak.admin.ch/bak/de/home/baukultur/service/aktuelles/inputpapier-baukultur-landschaft-tourismus.html
Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB): Baukultur
https://www.bmwsb.bund.de/Webs/BMWSB/DE/themen/stadt-wohnen/stadtentwicklung/baukultur/baukultur-node.html
Bundesstiftung Baukultur: Kodex für Baukultur
https://www.bundesstiftung-baukultur.de/fileadmin/files/medien/8349/downloads/210517_kodex_fuer_baukultur_bsbk.pdf
Bilder:
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